Ran an die Börse, rein ins Boot

Die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ist ein uraltes Anliegen der Kunst. Eine unbedingt sehenswerte Schau in der Galerie Palais Walderdorff wirft jede Menge Fragen nach Zeitgeist und Sinngebung auf.

 Anton Petz versteht sich als politischer Künstler. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Anton Petz versteht sich als politischer Künstler. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Trier. (er) "Ich will Gedankenräume schaffen", sagt Petz. Und das tut Anton Petz. Derzeit sind die sinnträchtigen Gemälde des Münchner Malers in der Galerie Palais Walderdorff zu sehen. Wie sein berühmter Fotografen-Kollege Andreas Gursky setzt sich der gebürtige Grazer (Jahrgang 1962) in seinen neuen Arbeiten mit dem Erscheinungsbild und der Sinngebung der globalen Massengesellschaft auseinander. In der ist nach dem Motto "publish or perish" (was nicht öffentlich ist, ist tot) weitgehend Wirklichkeit, was medien- und breitenwirksam ist. Folgerichtig verwendet Petz für seine Bildvorlagen jene Medienbilder, die alltäglich als Top News einstimmig und einförmig Bildschirme und Druck-Erzeugnisse der internationalen Medienwelt bevölkern, bis sie in Kürze von neuen Sensationen im Wortsinn "getoppt" werden. Der Münchner Künstler liefert mit seinen Bildern freilich keine gemalte Variante der kurzlebigen, gleichwohl Bewusstsein bildenden Nachrichtenbilder. Im Gegenteil: Petz' Bilder bringen die "running time", dieser rasende Bilderwelt zum Stehen. Sie entlarven sie als ein paar Bildpunkte, die als Bildidee unserer Wirklichkeit daherkommen.Politische Bilder eines politischen Menschen

"Ich bin ein politischer Mensch und meine Bilder sind politische Bilder", bestätigt Petz. Was diese Welt medial zusammenhält, findet sich in seinen Gemälden: die New Yorker Börse, die Großdemonstration, das Flüchtlingselend, der Krieg und die Event-Ideologie einer gnadenlosen Spaßgesellschaft. Petz, der in Wien studiert hat, setzt beim Transfer der Wirklichkeit in eine Ideenwelt auf die überkommene Malerei, vordringlich auf spätimpressionistische Tradition. Das tut er eindrücklich und schlüssig. Seine kräftigen kurzen Pinselstriche, die aus der Nähe wie einzelne Punkte wirken, schaffen gesichtslose Typen, deren Gesten und Haltungen sie als anonyme Requisiten eines typischen Milieus ausweisen, der Börse, des Elends oder des Kunstbetriebs als Vernissagenpublikum. Petz' Farbigkeit unterstreicht die Kälte der Situation. Als hintergründige Sinnbilder dieser Zeit überzeugen auch Petz' kleinere Formate. Die rot gekleideten, demütig am Boden kauernden Gestalten in "großes Warten" wirken auf den ersten Blick wie Mönche eines buddhistischen Klosters. In Wirklichkeit handelt es sich um Insassen des Lagers "Guantanamo", die nicht Buddha sondern ein selbsternanntes weltliches "Gottesvolk" auf die Knie gezwungen hat. Petz anrührendstes Bild sind seine "Boatpeople". Beim Anblick der das vermeintlich rettende Boot erklimmenden Menschen drängt sich das Bild eines anderen vergeblich hoffenden Bootsvolkes auf, das aus Michelangelos "Höllensturz" in der römischen Sixtina. Bis 16. September, Di-Fr 11-13 Uhr und 14-17 Uhr, Sa und So 10-13 Uhr und nach Vereinbarung Telefon 0651-66671

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