Rares aus Russland

TRIER. (gkl) Die St. Petersburger Kammersolisten waren im vierten Konzert der Kammermusikalischen Vereinigung im Kurfürstlichen Palais zu Gast. Ihr Programm gestattete dem Publikum einen Einblick in die russische Musikerseele.

Dankbar muss man der kammermusikalischen Vereinigung Trier sein für das vierte Konzert der laufenden Saison. Dankbar dafür, dass sie die St.Petersburger Kammersolisten an die Mosel und ins kurfürstliche Palais geholt hat. Die fünf Musiker sind alle Absolventen des Petersburger Konservatoriums, weshalb man in Sachen Qualität die Erwartungshaltung schon recht hoch ansetzen konnte. In ihrem Reisegepäck hatten Ilya Iloff und Lidia Kovalenko (Violine), Alexei Ludevig (Viola), der Cellist Alexei Massarsky und der Pianist Igor Uryash nur zwei Werke ­ aber die hatten es in sich. Das Quintett Opus 57 von Dimitri Schostakowitsch und jenes von Sergei Iwanowitsch Tanejew gehören zwar zum Standardrepertoire dieser Besetzung, sind aber wegen ihrer Ausdehnung und Ansprüche relativ selten zu hören. Tanejew wurde oft vorgeworfen, seine Kompositionen seine trocken, mathematisch und uninspiriert. Wer in Trier dieses gewaltige, 1911 entstandene Opus hörte, konnte sich dieser Meinung nicht anschließen. Kompositionstechnisch zwar ausgereift und zweifellos ein Meisterwerk, war es doch überbordend von Emotion und ergreifender Lyrik. Hier kam ein musikalischer Schriftsteller zu Wort, der unglaublich viel mitzuteilen hat. Dass seine Gedankengänge deutlich und verständlich wurden, verdankte das Publikum im nahezu ausverkauften Saal der kaum zu übertreffenden Qualität der Ausführenden. Sie legten den innersten Kern dieses schon an eine Sinfonie erinnernden Werks frei, trafen den lebensspendenden Nerv. Nicht anders war es schon vor der Pause. Schostakowitsch erschuf sein g-Moll-Quintett auf Wunsch des seinerzeit weltberühmten Beethovenquartetts und setzte sowohl in Form als auch in der Ausdehnung einen Markstein in seinem kammermusikalischen Schaffen. In der Interpretation der Petersburger Musiker konnte man nicht sicher sein, ob man wirklich ein Klavierquintett hörte oder ob man sich in einer großen Kathedrale befindet, in der eine gewaltige Orgel den Raum erfüllt. Zumindest in den ersten beiden Sätzen wurde man häufig an das sakrale Schaffen Max Regers erinnert. Es war nahezu unmöglich, sich dem Wechselbad der musikalischen Gefühle, das die Künstler dem Publikum bereiteten, zu entziehen. Vielleicht bedarf es tatsächlich einer Petersburger Seele, um diese Musik so vollendet darzustellen, die haufenweise auftretenden Brüche so miteinander zu verbinden, dass ein geschlossenes Ganzes daraus wird, bei dem der Zuhörer am Ende sagt: aufregend schön.

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