Raus aus dem Graben, hinauf auf die Bühne

Trier · Die Trierer Philharmoniker müssen sich oft im Theatergraben verstecken und erblicken allenfalls bei Sinfonik oder Weltmusik das Licht der Bühne. Einmal im Jahr stellen sie sich ganz ins Zentrum und nehmen außerdem zahlreiche junge Menschen in den Fokus mit hinein. Ihr großes Orchesterfest feiern sie am Sonntag, 31. Mai, ab 14 Uhr im Theater Trier.

Raus aus dem Graben, hinauf auf die Bühne
Foto: Martin Möller (mö) ("TV-Upload M?ller"

Trier. Die Atmosphäre ist ziemlich nüchtern und erstaunlich professionell. Ausgerechnet am frühen Morgen des Pfingstsamstags, an dem die Mehrheit der Bevölkerung gähnt und sich noch einmal auf die andere Seite wälzt, sitzen sie kerzengerade im Orchesterprobenraum, der ehemaligen Christkönig-Kirche in Trier-West. An die 45 junge Menschen sind es im Sinfonieorchester, weitere 45 formieren sich zu einem sinfonischen Blasorchester.
Mit Disziplin bei der Sache


Schülerinnen und Schüler der Oberstufe an Trierer Gymnasien sind dabei - musikbegeistert, erstaunlich musikversiert und mit einer bemerkenswerten Disziplin. Wenn Ursula Heckmann vom Orchestervorstand der Trierer Philharmoniker für ein paar Orientierungshinweise aufs Dirigierpodium steigt, dann verstummen die Gespräche augenblicklich; selbst organisatorisch ist man "ganz Ohr".
Das Prinzip, nach dem sich diese beiden Klangkörper formieren, ist einfach und wirkungsvoll. Den Anstoß gab der Kontakt zu den Trierer Musiklehrern. Wer von den jungen Leuten Interesse hatte, konnte sich dann anmelden. Die Profis vom Trierer Orchester fungieren als Mentoren. Seit Februar bereiten sie das Programm aus Sinfonik, Filmmusik und Bläserkompositionen vor, haben Registerproben durchgeführt, an Details gefeilt und spielen selbstverständlich auch im Konzert mit. Pfingstsamstag stand die erste Gesamtprobe an, nach ihr gibt es nur noch die Hauptprobe und danach den Auftritt beim Orchesterfest am 31. Mai. Ein weiterer Hinweis auf hochprofessionelles Arbeiten.
Auch Victor Puhl ergeht sich nicht in musikpädagogischer Rhetorik. Er lässt die langsame Einleitung zu Tschaikowskys 5. Sinfonie ausspielen, bricht ab, korrigiert und probiert an Details, geht dann über zum "Allegro con anima". Der Trierer Generalmusikdirektor tut ein Übriges: Er erarbeitet technische Standards über den Ausdruck. Er konzentriert sich von Anfang an auf die Musiksprache und engagiert sich dabei auch körperlich. Auch das ist professionell. Und es bewährt sich: Von Beginn an klingt das Orchester wirklich nach Tschaikowsky - füllig, etwas melancholisch, reich an Klangfarben. "Wirklich gut geübt", lobt Puhl, und seinem Tonfall ist abzulesen: Er meint, was er sagt.
Schüler spielen neben Profis


Für das Orchester ist die Zielrichtung klar: "Uns geht es darum, Jugendlichen die Erfahrung zu ermöglichen, in einem richtigen Sinfonieorchester große sinfonische Literatur zu spielen", erklärt Ursula Heckmann. "Und im Idealfall sollen die Schüler auch davon profitieren, neben Profis zu sitzen und zu spielen." Aber was motiviert die Schüler zu solch anstrengender Probenarbeit?
Nora Sobbe hat gerade in der Probe das Cello-Solo im "Kol Nidrei" von Max Bruch gespielt, hat mit Orchester und Dirigenten am heiklen Miteinander gearbeitet. Nein, sagt sie anschließend, Stress sei das nicht gewesen, sondern einfach nur Spaß an guter Musik und an professioneller Arbeit. Das dürften wohl alle so empfunden haben - im Sinfonieorchester und auch im Blasorchester, das anschließend probt. Bernd Wege, Hornist und Mentor der Bläser, macht bei beiden Orchestern eine "unheimliche Konzentration und Begeisterung" aus. Es sei eben etwas "ganz Besonderes".
Karriere-Ehrgeiz dürfte dabei fast keine Rolle spielen. Für Nora Sobbe jedenfalls, Klassenstufe 12, kommt eine musikalische Laufbahn nicht infrage - "auf keinen Fall". Bei ihr geht es ausschließlich um die Liebe zur Musik und die Freude am Musizieren. Das trifft wohl für die meisten zu.
Und auch politische Absichten sollte niemand überschätzen: Orchestervorstand Ursula Heckmann und Victor Puhl betonen es wiederholt: Das Orchesterfest ist nur zum kleinsten Teil eine kulturpolitische Aktion. Sicherlich: "Unser Projekt soll dazu beitragen, dass in Trier eine wirklich lebendige Musikkultur erhalten werden kann", sagt Heckmann. Aber im Mittelpunkt steht doch anderes: "Wir wollen Spaß vermitteln. Wir machen es, damit Menschen Freude an schönen Klängen haben, damit vielleicht neue Verbindungen entstehen und das Orchester näher ans Publikum rückt." Und: "Es geht uns einfach um einen schönen Nachmittag."Extra

 Kurze Verständigung: Cellistin Nora Sobbe bekommt Tipps von Victor Puhl.

Kurze Verständigung: Cellistin Nora Sobbe bekommt Tipps von Victor Puhl.

Foto: Martin Möller (mö) ("TV-Upload M?ller"

Das Orchesterfest des Philharmonischen Orchesters startet am Sonntag, 31. Mai, um 14 Uhr im Theater Trier. Und das ist der Ablaufplan: 14 Uhr: Streicherklasse der Grundschule Olewig 14.45 Uhr: "Die Brillenschlange" im Foyer 15.15 Uhr: Mitmachkonzert 18 Uhr: Konzert des Philharmonischen Orchesters mit Trierer Schülerinnen und Schülern, Ausklang im Foyer mit dem Odeon Jazz Quartett und Conny Hain (Gesang) Außerdem: Kaffee und Kuchen, Bildergalerie mit den schönsten Orchester-Bildern und Kinderprogramm. mö

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