Reif für die Königspartie

Trier · "La Traviata" ist seit Jahren die meistgespielte Oper der Welt. Kann man der Geschichte der vom Pfad der Tugend abgekommenen Violetta Valery noch etwas Neues abgewinnen? Muss man? In Trier treten zwei Frauen an, um die Traviata nach fast zwei Jahrzehnten wieder auf die Bühne zu bringen.

 Eine durchleuchtete Person im permanenten Blick der Öffentlichkeit: So sieht Adréana Kraschewski die Figur der Violetta Valery. TV-Foto: Friedemann Vetter

Eine durchleuchtete Person im permanenten Blick der Öffentlichkeit: So sieht Adréana Kraschewski die Figur der Violetta Valery. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Ein Opernfan, der "La Traviata" noch nie live gesehen hat? Gibt\'s nicht. Oder doch? "Ich traue mich kaum, es zu sagen, aber ich habe mir noch nie eine Traviata-Vorstellung angeschaut", sagt Adréana Kraschewski und blickt etwas schuldbewusst drein.
Das wird wohl auch diesmal nichts werden, denn die Sopranistin singt in Trier die Titelrolle. Ein "Voll-Debüt" nennt sie das, in einer Partie, vor der sie "totalen Respekt" hat. Auch im Rückblick: "Vor vier Jahren hätte ich an so was nicht mal gedacht".
Reif für die Königspartie


Da war die gebürtige Ulmerin neu im Trierer Ensemble und schickte sich gerade an, als Königin der Nacht (Zauberflöte), Liu (Turandot) und Antonia (Hoffmanns Erzählungen) auf sich aufmerksam zu machen. Es folgten Riesen-Rollen wie Maria Stuarda (in Darmstadt) und Lakmé, für die sie mit der Trierer Theatermaske geehrt wurde.
Nun fühlt sich Kraschewski, inzwischen freiberuflich tätig, reif für die Königspartie des Fachs der dramatischen Koloratursopranistin. Dass sie die Oper nie auf der Bühne gesehen und auch auf CD nur selten gehört hat, hält sie in letzter Konsequenz für einen Vorteil: "Man vermeidet, dass zu viel von anderen Produktionen hängen bleibt". Regisseurin Birgit Scherzer kann also bei ihrer (gleichfalls ersten) Traviata ein beinahe unbeschriebenes Blatt beschriften. Das ganze Stück mit Gewalt neu erfinden will sie freilich nicht. Ihre Interpretation, so betont sie, entstehe nicht aus der Auseinandersetzung mit der Aufführungs-Tradition, sondern "vor allem aus dem Hören der Musik heraus".
Bei Scherzer, der profilierten Tanztheater-Macherin ("Requiem", "Die Walküre"), entsteht daraus aber kein nostalgischer Historismus. Was ihr die Musik über Violetta Valery, die Kameliendame, erzählt, ist eine zeitlose Geschichte. Von einer Frau, die als Trendsetterin in einer High-Society-Gesellschaft fungiert, die käuflich ist, aber nicht für jeden, die als B-Promi unter permanenter Beobachtung steht. "Eine durchleuchtete Person, mit einem Dasein für die Öffentlichkeit", bringt es Scherzer auf den Punkt, "in der mehr steckt, als es scheint, und die darunter leidet".
Konsens über das Psychogramm


Zwischen der Regisseurin und ihrer Hauptdarstellerin herrscht weitgehend Konsens, was das Psychogramm der Violetta angeht. "Zum Glück", sagt Adréana Kraschewski ehrlich, "denn ich hätte ein Problem, wenn die Rolle billig oder plakativ angelegt wäre". So stirbt denn ihre Traviata am Ende auch nicht an Tuberkulose, Suff oder Drogensucht: "Sie krankt an der Seele".
Die entsprechenden Räume schaffen die Bühnenbildner Gerd Hoffmann und Arlette Schwanenberg, mit ihren eindrucksvollen Bauten für "Joseph Süß" und "Schwanen.see" noch in guter Erinnerung. Allerdings musste "tierisch gespart werden" (Scherzer), so dass sich manche der ursprünglichen Ideen nicht realisieren ließen. Und bei den Kostümen profitierte man davon, dass Kostümbildnerin Gera Graf ihren Fundus in Wien plünderte.
Und trotzdem: Nach Low Budget soll es auf keinen Fall aussehen. Schließlich, so wirft Adréana Kraschewski ein, sei "das ästhetische Auge der Choreographin immer dabei". Eine Regisseurin, die vom Bewegungstheater herkommt, sei für die Sänger "nicht immer einfach". Aber das ist es nie, wenn man etwas Besonderes auf die Bühne bringen will.
Giuseppe Verdi: La Traviata. Premiere am 13. Oktober, weitere Vorstellungen: 21., 26. Oktober; 4., 13., 30. November; 5., 8., 14., 26., 29. Dezember; 20. Januar. Musikalische Leitung: Victor Puhl. In den Hauptrollen: Adréana Kraschewski (Violetta Valery), Svetislav Stojanovic (Alfredo Germont), Amadeu Tasca (Giorgio Germont). Info: www.theater-trier.de

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