Respektable Visitenkarte

METZ/TRIER. Einen verlorenen Faden wieder anknüpfen: Das wollte das Philharmonische Orchester der Stadt Trier mit seinem ersten Gastspiel in Metz seit fast einem Jahrzehnt. Im großen Konzerthaus Arsenal interpretierte man Wagner, Dvorak und Offenbach.

Beobachter des Trierer Konzertlebens, die über ein ausgeprägtes Langzeitgedächtnis verfügen, können sich noch an einen lebhaften Orchester-Austausch mit der Partnerstadt Metz in den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts erinnern. In den 80ern schlief die Kultur-Beziehung langsam ein, in den 90ern erlebte sie zwei letzte Zuckungen in Gestalt gemeinsamer Konzerte - dann war Funkstille, sehr zum Bedauern der Trierer. Tolle Optik, schwierige Akustik

Kein Wunder also, dass man mit beiden Händen zugriff, als sich die Möglichkeit eines Gastspiels im Metzer Arsenal bot. Auf mehr als 60 Musiker verstärkt, reisten die Philharmoniker in die Partnerstadt, im Gepäck ein populäres Programm und die Hoffnung, das verwöhnte Metzer Publikum auf sich aufmerksam zu machen. Das Konzert erwies sich freilich bei näherem Hinsehen als geschlossene Veranstaltung im Rahmen eines Kongresses des Bundesverbandes der französischen Wohlfahrts-Organisationen. Im offiziellen Metzer Konzertprogramm fand es keine Notiz - vielleicht entsteht wenigstens durch die Nachberichterstattung vor Ort der erwünschte Effekt. An István Dénes und seinem Klangkörper sollte es jedenfalls nicht gelegen haben. Dabei sind Konzerte im Arsenal durchaus heikel, ist doch der in hellem Holz ausgekleidete, mit bildschönen Säulenkonstruktionen und Treppen gestaltete Musik-Palast optisch das schönste Konzerthaus der Großregion, birgt aber akustisch allerlei Tücken. Der Saal ist so hellhörig, dass selbst noch das Rascheln eines übermäßig gestärkten Frackhemds in der letzten Reihe den Weg in den Gehörgang aller Konzertgänger findet - also ungefähr das Gegenteil der stumpfen Akustik im Trierer Theater. Leider gab es für das Orchester keine Gelegenheit, sich vor dem Auftritt mit den Gegebenheiten vertraut zu machen. So entsprach der spätabendliche Auftritt für Dénes und seine Truppe in etwa der Aufgabe eines Kleinwagen-Fahrers, der ohne jede Vorübung einen LKW durch dichtes Verkehrsgewühl steuern soll. Kein Wunder, dass Richard Wagners "Holländer"-Ouvertüre dann großteils fürs Warmfahren draufging. Orchester und Dirigent arbeiteten hoch konzentriert, die leisen Passagen gelangen vorzüglich, aber dann fuhr das schwere Blech immer wieder drein, dass die Palmen in der Saaldekoration zitterten. Auch die Pauke und selbst die kleine Triangel drangen im späteren Verlauf des Abends immer wieder heftig durch Mark und Bein. Kein Vorwurf an die Musiker: Sie spielten, wie sie es in Trier tun müssen, um einen Effekt zu erzielen. Im Arsenal war es des Guten bisweilen zu viel. Aber spätestens bei Dvoraks Sinfonie "Aus der neuen Welt" wurde auch deutlich, wie unglaublich klangstark die Trierer spielen können. Selten klangen die Streicher so flirrend und filigran, die Holzbläser so schwerelos schwebend. Wunderbar die "Erzählpassagen", von großer Innigkeit der zweite Satz mit seiner Wildwest-Melancholie, vorwärts treibend das Finale. Und irgendwann stimmte dann auch die Abstimmung zwischen laut und leise.Ein Hauch von Neujahrskonzert

Am Ende stand, als Reminiszenz ans einheimische Publikum, Offenbachs Großer Walzer aus der wieder entdeckten Oper "Les Fées du Rhin" - vielleicht sogar zum ersten Mal auf französischem Boden. Da gab István Dénes dann doch noch dem Affen Zucker, ließ einen Hauch von Neujahrskonzert aufkommen und reizte das Publikum zu ausgiebigen Klatschmärschen. Eine respektable Visitenkarte, die die Trierer Philharmoniker da abgegeben haben. Hoffentlich erreicht sie den anvisierten Adressaten.

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