Respektlos anders

TRIER. (gkl) Eine ganz neue Seite stellte das Rastrelli Cello Quartett seinem Publikum in Trier vor. Zu dem Kammerkonzert hatte das Kulturbüro der Stadt Trier in das kurfürstliche Palais eingeladen.

Dass ein Violoncello mehr musikalische Möglichkeiten bietet, als aus Kammer- und sonstigen Konzerten bekannt ist, wissen Musikfreunde spätestens, seitdem sich ein Dutzend Cellisten einer berühmten deutschen Philharmonie zu einem Ensemble zusammen gefunden und ziemlich schnell Weltruhm erlangt haben. Es ist also eigentlich nicht so außergewöhnlich, wenn sich für Trier ein Cellistenquartett ankündigt. Dass dieses Quartett sich nach einem berühmten St. Petersburger Architekten benannt hat - auch nicht so außergewöhnlich. Sollte man also zur Tagesordnung übergehen und lediglich zur Kenntnis nehmen, dass Kira Kraftzoff, Misha Degtjareff, Kira Timofejev und Sergio Drabkine an der Mosel zu Gast waren? Jeder, der das Konzert im kurfürstlichen Palais besucht hat, würde zu Recht empört aufschreien. Denn die Künstler waren in der Tat außergewöhnlich. Vier russische Musiker, inzwischen alle in schwäbischen Gefilden beheimatet, haben sich offensichtlich daran gemacht, ihrem Instrument ein neues, teilweise freches Gesicht zu geben. Sie tun dies auf eine erfrischend respektlose Art, die rundherum begeistert. Wohlverstanden - respektlos vor antiquierten Ansichten wie etwa: "So etwas tut man nicht!" Mit springendem Bogen hüpfen die Töne förmlich aus ihren Instrumenten und formieren sich zu reinrassigem Tango, erstklassigem Blues, georgischer Volksmusik und jüdischem Klezmer. Die Klang- und Stilpalette des Quartetts scheint nahezu grenzenlos zu sein. Aber auch Altbekanntes, Klassisches lassen die vier Musiker erklingen. Mit absolut sicherem Strich, wohltuend sauberer Intonation und atemberaubender Virtuosität erklingt eine Toccata von Girolamo Frescobaldi oder die eigentlich sattsam bekannte "La Folia" von Marin Marais. Momente, in denen dem Zuhörer die Ohren klingen.Premiere: Zusammenarbeit mit Flötistin

Profitieren können die vier Cellisten vom doppelten Talent Drabkines, der nicht nur, wie seine Kollegen, ein ausgezeichneter Cellist ist, sondern sich auf gleiche Weise als Komponist und Arrangeur betätigt. So schneidert er der Truppe alle Werke gleichsam auf den Leib. Eine Premiere für das seit gut zwei Jahren existierende Quartett war die Zusammenarbeit mit einer Flötistin. Für den Violentango von Astor Piazzolla und für "Frühlings- Reigen" von George Diniku hatte es die Griechin Natalia Gerakis mitgebracht, die sich mit ihrem Können nicht einen Moment hinter ihren streichenden Partnern verstecken musste. Dem letzten Takt folgten stehender Applaus und Bravo-Rufe: Begeisterung pur.

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