Retter für die Rettungsoper

TRIER. (DiL) Zum Saisonstart 2003/2004 präsentiert das Trierer Theater mit Beethovens "Fidelio" eine der populärsten Opern des Repertoires. Die Premiere am Sonntag verspricht gleich in mehrfacher Hinsicht, spannend zu werden.

Eigentlich hätte es eine Heimkehr werden sollen: Norbert Hilchenbach, der vor Jahren als Dramaturg in Trier eine Karriere startete, die ihn auf mehrere deutsche Intendantensessel brachte, war als Fidelio-Regisseur vorgesehen. Das Konzept stand, die Vorgespräche waren abgeschlossen, das Bühnenbild gebaut, als der einstige HGT-Abiturient just zum Probenbeginn erkrankt absagen musste. Das sind Momente, in denen nur noch ein Theater-Wunder hilft. In Trier trug es den Namen Uwe Wand, Opernchef in Leipzig und erfahrener Theaterprofi mit vielfältiger Fidelio-Erfahrung. Wand sprang buchstäblich von einem Tag auf den anderen ein und übernahm die komplizierte Aufgabe, seine eigenen Vorstellungen von Beethovens Meisterwerk mit einem völlig fremden Ambiente in Einklang zu bringen. Der Spezialist für zeitgenössische Musik - er hat unter anderem Uraufführungen mit Karl-Heinz Stockhausen erarbeitet - gehört nach eigenem Bekenntnis nicht zu den großen "Werkverfremdern" des modernen Musiktheaters. Beobachter der Proben loben seine Detailgenauigkeit und die präzise Umsetzung der Musik - kein Wunder, gehört Wand doch zu den raren Regisseuren, die die Oper als professioneller Orchestermusiker von der Pike auf gelernt haben. Fidelio, die idealistische Befreiungs- und Rettungsoper, reizt zur inhaltlichen Auseinandersetzung. Die Geschichte der treuen Ehefrau Leonore, die als Mann verkleidet im Kerker Dienst tut, um ihren Mann Florestan, der dort unschuldig einsitzt, zu befreien, stößt bei den meisten Regisseuren auf Misstrauen. Vor allem das Happy End mit einem Minister, der in aussichtsloser Lage als "Deus ex machina" alles zum Guten wendet, erfährt oft eine Neu-Interpretation. In Essen ließ Dietrich Hilsdorf kurzerhand den Eisernen Vorhang schließen, als das Orchester zur Jubel-Arie ausholte. In der Saarbrücker Inszenierung von Martin Schüler kippte Florestan am Ende zu Tode erschöpft um, bei Martin Kusej in Stuttgart wurde er gar vom Bösewicht Pizarro ermordet, bevor letzterer wiederum von Leonore alias Fidelio getötet wurde. Auf solche Überraschungen muss man bei Uwe Wand nicht gefasst sein. Ganz unkommentiert will er Beethovens naiven Idealismus aber auch nicht lassen. Deshalb hat er Texte von Hans Magnus Enzensberger in den Aufführungsablauf integriert, die einst in den Siebziger Jahren für eine Aufführung in Bremen entstanden. Sänger Andreas Scheel wird sie vortragen und die Zuschauer "zum Reflektieren einladen". Auch István Denés' musikalische Interpretation, die Beethoven in Verbindung zu Wagner und Mahler setzt, dürfte dem Publikum Stoff zum Nachdenken bieten. Besetzung: Vera Wenkert (Fidelio), Evelyn Czesla (Marcelline) Gor Arsenian (Florestan), Juri Zinovenko (Rocco), Nico Wouterse (Pizarro), Peter Koppelmann (Jacquino). Premiere am Sonntag, 5. Oktober, 19.30 Uhr; Karten: 0651/718-1818.

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