Sahnestückchen für den Tenor

MERZIG. Mit Verdis "Rigoletto" geht die Merziger Zelt-Oper in ihre zehnte Spielzeit. Diesmal dürfte das Interesse aus der Region Trier noch größer sein als sonst, singt doch Ex-Jungtenor Thomas Kießling eine tragende Rolle.

 Das Team der Zeltoper 2003 vor der Zeltstadt im Merziger Hafen. Links: Tenor Thomas Kießling.Foto: Rolf Ruppenthal

Das Team der Zeltoper 2003 vor der Zeltstadt im Merziger Hafen. Links: Tenor Thomas Kießling.Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Ruppenthal (rup)

"Was, ist das tatsächlich schon unsere zehnte Produktion?" Joachim Arnold muss erst nachzählen. Einmal die populären Mozartopern rauf und runter, "Carmen", "Barbier von Sevilla", dazu todesmutig Wagners "Rheingold": Verdis Geschichte vom buckligen Hofnarren "Rigoletto" ist tatsächlich schon die Nummer zehn in der Erfolgs-Reihe, die mehr als 100 000 Besucher zum Operngenuss ins Zelt lockte. Dirigent Arnold und Regisseur Andreas Baesler sind die einzigen Konstanten in dieser Erfolgs-Story. Sie standen schon 1994 bei den Proben zu Mozarts "Cosí fan tutte" in der damals recht staubigen Manege im Park von Villeroy&Boch. Ein Dirigenten-Lehrling und ein Jung-Regisseur, je nach Blickwinkel mutig oder verrückt. Das Zelt war so klein wie der Etat, der Chor kam vom Grammophon.Am Anfang kam der Chor vom Grammophon

Inzwischen ist Arnold Herr über einen imposanten, ständig wachsenden Zeltpalast am Merziger Hafen und gilt als einer der einflussreichsten Kultur-Macher im Saarland. Baesler inszeniert an großen Häusern und ist designierter Chef-Regisseur beim renommierten "Musiktheater im Revier". Doch ihrem Projekt "Zelt-Oper" sind sie treu geblieben. Auch in diesem Sommer scharen sie junge Sänger mit großen Perspektiven um sich und erarbeiten in gewohnt unkonventionellem Stil einen Repertoire-Renner, erstmals von Verdi. Die Stimmung bei den Proben ist locker. "Es macht richtig Spaß", sagt Thomas Kießling, der den Herzog von Mantua singt. Ein dankbarer Part, hat doch Giuseppe Verdi seine Tenor-Hauptrolle gleich mit einem halben Dutzend Sahnestückchen bedacht. Anders als bei seinem Debüt-Rigoletto in Potsdam kann Kießling die Damenwelt allerdings nicht mit der Zeile "Ach wie so trügerisch" provozieren: Zum ersten Mal wird in Merzig Italienisch gesungen. Die Übersetzungen werden auf einem Leuchtband eingeblendet. "Auf Deutsch hätten wir nie so eine Besetzung aufbieten können", sagt Intendant Arnold. "So eine Besetzung", das gilt vor allem für Rigoletto und seine Tochter Gilda. Der Koreaner Joo Il Choi singt die Titelrolle, ein Bariton, der an der Meininger Oper bundesweit auf sich aufmerksam machte. Als Gilda gastiert Sen Guo, die zum Ensemble des Züricher Opernhauses gehört, einer der besten Adressen in Europa. Aber auch internationales Renommee schützt nicht davor, vormittags in dicken Gummistiefeln durch knöcheltiefes Wasser zu stapfen - jedenfalls, wenn das Wasser zum Bühnenbild gehört, und das Stapfen zur Rolle. Joo Il Choi kämpft an diesem Morgen um stimmliche und körperliche Balance, unübersehbar gehandicapt durch die frühe Tageszeit. Merziger Nächte können auch ganz schön lang sein. Da tut es gut, wenn eine Stimmungskanone wie Thomas Kießling zur Truppe gehört. Als Trierer hat er das Privileg, im heimischen Bett zu schlafen, während der Rest der Crew im Schwesternwohnheim nächtigt - eine Tradition seit der ersten Zelt-Oper. So bringt Kießling morgens die Brötchen fürs gemeinsame Frühstück mit, stets in der Hoffnung, dass die Kaffeemaschine nicht streikt. Improvisation ist Trumpf, wie auf der Großbaustelle für das Spaßbad nebenan. Kürzlich wollte man proben, aber das Klavier fehlte. So fuhr Kießling sein Auto ins Zelt, legte eine alte Rigoletto-Aufnahme in die Stereo-Anlage - und man mimte im Playback-Verfahren. Nach Jahren des Tourens mit den "Jungen Tenören" macht dem Trierer die Bühnen-Arbeit sichtlich Spaß. Er ist immer für einen Scherz zu haben, auch beim noch etwas ungelenken Üben für eine heiße Liebesszene mit Swetlana Afonina, die die Prostituierte Maddalena spielt.Strafkatalog für Verspätungen

Noch gibt es viele ungelöste Probleme. Regie-Assistentin Waltraud Lehner - sie inszenierte kürzlich in Trier "Hänsel und Gretel" - testet, wie man ein Messer so auf den Tisch knallt, dass es stecken bleibt. Derweil untersuchen Arnold, Baesler und "Teich-Experte" Kießling merkwürdige Ausflockungen im Bühnenbild-Tümpel. Man sucht Gilda für die Kritik-Besprechung. "Wohl wieder bei McDonalds", vermutet der Regisseur. Das könnte teuer werden, hängt doch im Künstlerzelt ein Plan, der akribisch in Euro und Cent die Strafen für Verspätungen festhält. Das Register scheint aber nicht abschreckend genug zu wirken, jedenfalls nicht auf den Chef: "Arnold: 1563 Euro" hat ein Scherzkeks auf der Liste vermerkt. Premiere am 8. August, Vorstellungen am 9., 10. 13., 15., 16., 17., 20., 22., 23., 24. August. Karten an den CTS-Vorverkaufsstellen. Info: 06861/935299. Internet: www.musik-theater.de

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