Sanfte Überraschungen

TRIER. (mö) Hector Berlioz hat in Deutschland den Ruf des Effekthaschers. Das Oratorium "L‘ Enfance du Christ", das am Sonntag, 17 Uhr, in St. Maximin aufgeführt wird, zeigt ihn von einer ganz anderen Seite.

Es begann mit einem charmanten Publikumsbetrug. In einem Konzert der Pariser Societé Philharmonique führte Hector Berlioz das "Adieu des Bergers" eines gewissen Pierre Ducré aus dem Jahr 1679 auf und gab an, das Werk bei der Restaurierung der Sainte Chapelle in Paris entdeckt zu haben. Das Publikum reagierte begeistert, und die Kritik spielte den Stil des Herrn Ducré genüsslich gegen den seines Entdeckers aus.Das gefiel dem Komponisten. Der Hirtenchor stammte natürlich von Berlioz selber. Und die Affäre verschaffte ihm im Dauerstreit mit neidischen Kollegen, missgünstigen Kritikern und verständnislosem Publikum einen beachtlichen Punktsieg. Grund genug, die verkappte Publikums- und Kritikerbeschimpfung in den Mittelpunkt eines weihnachtlichen Oratoriums zu stellen. Darin greift Berlioz, dessen Geburtstag sich am heutigen Donnerstag zum 200. Mal jährt, den Stil des Hirtenchors auf. "L' Enfance du Christ", die Kindheit Christi, ist eine leise, zarte Komposition. Anleihen bei alten Stilen und alten Tonarten kommen nicht auftrumpfend und demonstrativ daher, sondern bleiben sacht und unauffällig.Für alle, die noch dem Klischee vom Effektkomponisten anhängen, bietet dieses Oratorium eine Menge an sanften Überraschungen. Denn der Exzentriker Berlioz war zugleich ein ungemein vielfältiger Musiker und ein Komponist, der nicht nur Monumentalstücke produzierte, sondern sich auch aufs Feine, Leise und Intime verstand.Am Sonntag, 14. Dezember, 17 Uhr, ist die Komposition in der ehemaligen Abteikirche St. Maximin zu hören. Es singt der Trierer Konzertchor, es spielt das Städtische Orchester Trier.Mit Gundula Schneider, Thomas Berau, Clemens Bieber und Siegmund Nimsgern tritt ein viel- versprechendes Solisten-Quartett an. Die Leitung hat Manfred May.Karten: Musikhäuser Kessler und Reisser in Trier.

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