Scharfblick aus der Distanz

TRIER. Er veröffentlichte in renommierten Verlagen Romane, Hörspiele und Kurzgeschichten. Er schrieb einen Roman "Eifel", bevor der Eifel-Krimi populär wurde. Walter Schenker hat sich schon in den 80-er Jahren als Schriftsteller profiliert. Jetzt erscheinen einige seiner Bücher erneut.

 Profiliert sich erneut als Schriftsteller: Walter Schenker. TV-Foto: Archiv

Profiliert sich erneut als Schriftsteller: Walter Schenker. TV-Foto: Archiv

Sogar im gemächlichen Schweizer Tonfall klingen Ärger und Erregung noch nach. Man habe ihn aus der Universität Trier "fortgejagt", sagt Walter Schenker. Damals, 1984. Der Schweizer Sprachforscher, der sich mit einer Arbeit über die Sprache der Reformatoren Luther und Zwingli habilitierte und zum Assistenzprofessor an der Trierer Universität aufstieg, veröffentliche im Trierischen Volksfreund eine spektakuläre Anzeige. "Walter Schenker, Autor des Romans ‚Eifel‘, 10 Jahre Professor an der Uni Trier, wird arbeitslos ohne Arbeitslosengeld und sucht deshalb Arbeit". Spektakulär, aber erfolglos.Vom Dozenten zum Literaten

Seitdem hat sich Walter Schenker auf die Profession konzentriert, die er schon betrieb, als er noch wohlbestallter Professor war und auf die er in seinem Stellengesuch ausdrücklich hinwies - die Schriftstellerei. Seit 1969 veröffentlicht er - zunächst neben Wissenschaftsliteratur Romane, Kurzgeschichten, Hörspiele, immerhin ein Bühnenstück. Bald interessierten sich auch renommierte Verlage für den Schweizer, dessen Arbeiten so unverkennbar den Geist der bundesdeutschen 1970-er und 1980-er Jahre atmen und doch dazu Distanz beziehen. Der Roman "Eifel" von 1982, der Landschafts-Impressionen und das persönliche, tragische Schicksal eines Lehrer verknüpft, wurde sogar für das Fernsehen verfilmt. Walter Schenker wurde 1943 im schweizerischen Solothurn geboren. Verhältnismäßig früh, nämlich 1970, avancierte er nach Abschluss seines Germanistik-Studiums wissenschaftlicher Assistent an der Universität Zürich. 1974 wechselte er als Assistenzprofessor an die Trierer Universität und schloss ein Jahr später seine Habilitation ab. 1979 wurde Walter Schenker Professor auf Zeit an der Universität Trier und blieb das bis 1984, bis zum erzwungenen Ende seiner akademischen Laufbahn. Er hat mit Schreiben keine Reichtümer erworben. Das bürgerliche Überleben, so räumt er freimütig ein, verdankt er zwei Literaturpreisen aus seiner schweizerischen Heimat. In der Wendezeit nach dem Fall der Mauer, die ja auch für viele Intellektuelle im Westen eine Zeit der Neuorientierung wurde, gab er die Schriftstellerei auf. Und vollzog eine überraschende Neuorientierung: die zum Laiengeistlichen der katholischen Kirche, zum Diakon. Nichts indes ist endgültig. Auch nicht der Entschluss, das Schreiben zu beenden. Jetzt zeigt der Schriftsteller Walter Schenker wieder literarisches Profil - mit neuen Romanplänen, aber auch mit der Wiederveröffentlichung älterer, längst vergriffener Bücher. Kürzlich ist sein Roman "Anaxagoras", der 1981 im Rowohlt-Verlag erstveröffentlicht wurde, wieder erschienen. Ein deutscher Zeitroman. Er spielt zwar im so genannten "Goldenen Zeitalter" der Antike, aber die Parallelen zur Gegenwart sind deutlich, manchmal sogar überdeutlich. Walter Schenker benutzt die Perspektive des umgekehrten Fernglases: Durch die Transposition in die Antike rückt Bekanntes und Vertrautes in die Distanz und gewinnt in dieser Distanzierung zugleich an Schärfe. In den 25 Jahren seit der Erstveröffentlichung ist das Buch selbst ein Stück Zeitgeschichte geworden. "Anaxagoras" spiegelt die westdeutsche Stimmung der 1980-er Jahre mit ihrer Tendenz zur mal gefälligen, mal wehleidigen Nabelschau und überhöht sie satirisch. Und er nimmt zwar verkappt, aber deutlich genug Bezug auf die deutsche Teilung. Auch die zweite Wiederveröffentlichung, der Roman "Gudrun" ist ein Deutschlandroman. Seine Heldin ist eine Frau, während des Krieges in Königsberg geboren wurde, sich an ihre Lebensstationen im geteilten Deutschland erinnert und schließlich ein Reich der Phantasie aufbaut, das alle Teilungen und alle Trennungen überwindet. Auch dies ein Stück spannend und vielschichtig erzählter deutscher Geschichte. Walter Schenker: "Anaxagoras" 2006, "Gudrun" 2006.

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