Schuberts Facetten

BERNKASTEL-WEHLEN/ZELTINGEN. (er) Musik vom Fein-sten bot das Artemis-Quartett aus Lübeck im Barocksaal des Klosters Machern.

Niemand ist so innig wie Schubert. Und kaum ein Komponist versteht sich wie er auf menschliche Tragik. Gerade Schuberts Kammermusik scheint ein Spiegelbild jenes menschlichen Seelennetzes zu sein, in dem sich nach des Dichters Wort flüchtend die widerstreitenden Gefühle verfangen. Mit dem Lübecker Artemis Quartett hat die kontrastreiche, auf sich selbst zurückgeworfene Musik des früh vollendeten Wieners einen ihrer eindrucksvollsten Dramaturgen gefunden. Und umgekehrt: die Kammermusik des Romantikers ermöglicht den jungen Musikern die gesamte intelligente Vielfalt ihres Spiels zum Klingen zu bringen.Das war einmal m0ehr im Barocksaal von Kloster Machern zu erleben, wo das Ensemble mit einem Schubert-Abend begeisterte. Ver-stärkung erhielt das Quartett durch den finnischen Kontrabassisten Janne Saksala und den Pianisten Michael Endres. Wer die jungen Musiker erlebt, hat auf Anhieb begriffen, was musikalische Verdichtung heißt und wie spannungsreich jene Auseinandersetzung auf engstem Raum ist, die Kammermusik nun einmal bedeutet. Heime Müller, der Mitbegründer des Quartetts, ist noch immer der agilste der Spieler. Seine Geige versteht sich auf Andeutung und feinen Witz, auf den leisen Anflug des Gefühls ebenso wie auf schmerzhaftes Sehnen und sanftes Rasen.Hell leuchteten daneben Michael Endres perlende Läufe. Einen warmen Klangteppich legte Eckart Runges wunderbares Cello aus. Fast ein didaktisch ausgeklügeltes Programm präsentierte das Ensemble in Machern. Vom intimen Notturno über das streitbare Trio in B-Dur D581 zum liebenswürdigen Forellenquintett öffnete sich die Musik.Die Musiker begannen mit einer Klangminiatur im Triosatz, eben mit jenem berühmten "Notturno" in Es-Dur D 897. Schuberts beklemmendes Nachtstück ist Sehnsucht pur. Mit Michael Endres am Klavier, Heime Müllers Violine und Eckart Runges Cello wurde die Nacht zu einem Bild hilfloser menschlicher Verstrickung.Wie‘s aussieht, wenn nach außen getragen wird, was fürs stille Seelenkämmerlein bestimmt ist, präsentierte mit Pathos und piani-stischem Schaulauf Michael Endres anschließend am Beispiel von Franz Liszts Klavierbearbeitung von Schuberts "Forelle". Geistreich und straff: Franz Schuberts Trio in B-Dur. Und nach der Pause: das berühmte Forellenquintett des Komponisten. Noch einmal konnten die Musiker mit all dem brillieren, was ihre vielen Preise rechtfertigt: mit Spielfreude, Witz, Frische, Anmut und vor allem mit ihrem erstaunlichen Einfühlungsvermögen in Wesen und Seele eines Werks. Wunderschön, als ob der Saal mit Samt ausgeschlagen würde, erklang das berühmte Andante. Ein einziges Entwischen und Entgleiten des gejagten Fischleins war der vierte Satz mit der bekannten Melodie von Schuberts Lied von der Forelle. Zum Ende: Viel verdienter Applaus.

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