Schweden ohne Strickjacken

LUXEMBURG. Mal einfühlsam und nachdenklich, mal rockig und tanzbar – The Cardigans haben das Publikum im ausverkauften Luxemburger Club "Den Atelier" im Griff. Erst nach drei Zugabenblöcken verlassen die Schweden die Bühne.

Ein Blick ins Publikum. Vor Nina Persson, der Sängerin der Cardigans, stehen dicht an dicht knapp tausend Menschen. "Wow, ein Zehntel von ganz Luxemburg", scherzt die Schwedin zur Begrüßung. In trägerlosem, korsettartigem Oberteil steht sie auf der Bühne - für Strickwesten (die wörtliche Übersetzung von "Cardigans") ist es auch wirklich zu warm. Persson balanciert zwischen Melancholie und Fröhlichkeit. Eine gestorbene Liebe besingt sie. Eine wunderbare Freundschaft, die zerbricht, und die einen fast umbringt ("You're Losing a Friend"), trifft auf Lebensfreude, mit der Tristesse und schwarze Wolken einfach weggewischt werden ("Little Black Cloud"). Das Publikum leidet und tanzt mit. Schweden und Pop? Da gibt es immer den langen Schatten von Abba, auch wenn die Cardigans dort längst herausgetreten sind. Cardigans-Gitarrist und Bassist kommen aus dem gleichen Städtchen wie Agnetha, aus Jönköping, und auch die Eingängigkeit und der Erfolg verbinden beide Bands - aber das sind auch die einzigen Parallelen. "Love me, love me - say that you love me" summen bereits einige Fans vor Konzertbeginn. Der Hit "Love Fool" aus dem "Romeo und Julia"-Soundtrack von 1997 war die Basis für den weltweiten Erfolg der Band. Zu hören gibt es den zuckersüßen Pop-Klassiker aber nicht. Statt dessen wirft Sängerin Persson rote Rosen ins Publikum. Die Band spielt zudem "Hold Me", das die Schwedin als "weltexklusive Premiere" ankündigt. Der Song wird ebenso gefeiert wie die weitaus bekannteren Stücke "Erase and Rewind" oder "My Favourite Game". Knapp zehn Jahre nach ihrem internationalen Durchbruch sind Nina Persson, Peter Svensson, Bengt Lagerberg, Magnus Sveningsson und Lasse Johansson mit "Super Extra Gravity" bei Album Nummer sechs angekommen. Sie liefern ein gutes Beispiel, wie man jedes Mal eine komplett neue Platte machen kann, ohne in die Endlos-Wiederholungsschleife abzubiegen. Das aktuelle Album hat Kanten, spart aber auch nicht mit eingängigen Melodien. Das setzen die Cardigans auch perfekt beim 100-minütigen Konzert in Luxemburg um: Persson haucht mal gefühlvoll ins Mikro, leidet bei den melancholischen Stücken mit, sie kann aber auch rocken. Das Publikum will die Schweden nicht von der Bühne lassen: Erst nach drei Zugabenblöcken, mit einer intensiven Version von "Communication" zum Schluss, nehmen sich die fünf Schweden an der Hand, verbeugen sich und treten ab.

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