Sensibler Blick auf den Menschen

TRIER. Antikenfestspiele, unbekannte Opern, profilierte Inszenierungen: Heinz Lukas-Kindermann hinterlässt in der Trierer Theatergeschichte deutliche Spuren. Heute wird der scheidende Intendant 65 Jahre alt.

Söhne berühmter Väter haben es schwer. Heinz Lukas-Kindermann stand zu Beginn seiner Karriere ganz sicher im Schatten seines Vaters, des bedeutenden Theaterwissenschaftlers Heinz Kindermann (1894-1985) - Verfasser einer monumentalen Theatergeschichte, der übrigens im 1942 auch Trier besuchte und hier einen Vortrag über Grillparzer hielt.Doppelname bringt familiäre Distanzierung

Aber er hat sich doch erstaunlich schnell emanzipiert. Das manifestiert sich nicht nur im Doppelnamen, einem Signal familiärer Distanzierung, sondern vor allem in der bemerkenswert zielstrebigen und gradlinigen Karriere. Nach dem Studium an der Wiener Hochschule für Bildende Kunst hat Heinz-Lukas-Kindermann 1964 zum erstenmal eine Oper inszeniert. 1966 wurde er Assistent bei Gustav Rudolf Sellner in der Deutschen Oper Berlin und zwei Jahre später Spielleiter am Theater Bielefeld. Weitere Stationen seiner Karriere waren Würzburg, Kiel, Braunschweig und Dortmund.In Trier, wo er seit der Spielzeit 1995/96 als Intendant arbeitet, hat er sein ganzes künstlerisches Potential einsetzen können.Der Sohn der Theoretikers konzentrierte sich auf die Praxis und engagierte sich bedingungslos fürs Theater. Der Sohn eines Gelehrten mit umfassendem Wissen, setzte in seinen Inszenierungen nicht auf die großen gesellschaftspolitischen oder historischen Entwürfe, sondern auf die Charakterzeichnungen, auf psychologische Sensibilität. "Noch positiver schlägt zu Buche, wie es dem Regisseur gelingt, das Kommen und Gehen von Gefühlen in Bilder zu übersetzen", schrieb ein Kritiker über Kindermanns Dortmunder "Rosenkavalier"-Inszenierung von 1994.In Trier hat der weit gereiste und angesehene Regisseur mit den "Antikenfestspielen" ein neues, ganz auf die Stadt zugeschnittenes Konzept erdacht und gegen zähen Widerstand schließlich auch durchgesetzt. Er hat mit Inszenierungen wie dem "Rosenkavalier" zur Eröffnung seiner ersten Spielzeit Maßstäbe einer inhaltsreichen Regie mit den begrenzten Möglichkeiten eines Provinztheaters aufgestellt. Und er hat mit der Reihe "Unbekannte Opern um 1900" auch dem Spielplan einen eigenen Schwerpunkt verliehen. Das brachte Heinz Lukas-Kindermann weit über die Region hinaus Anerkennung ein.Die Liste seiner Regie-Stationen ist lang: Düsseldorf, Hannover, Braunschweig, Wiesbaden, Karlsruhe, Dortmund, Berlin, Hamburg, Wien. Und die Liste der von ihm inszenierten Uraufführungen ebenfalls: Reimanns "Gespenstersonate", Hillers "Rattenfänger", Bibalos Opern "Die Gespenster" und "Die Glasmenagerie" und die "Gespenster" von Reinhard Febel. Nicht alle Inszenierungen in Trier waren geglückt. Aber immer bestach die feinfühlige Personenführung, der sensible Blick aufs Menschliche der Figuren. Wenn die Hauptfigur der "Medea"-Inszenierung von 1999 zum großen Schlussmonolog ansetzt, sind alle inszenatorischen Halbheiten wie ausgelöscht, Kindermann erspürt ihre tragische Größe und setzt sie um. In der Trierer Theatergeschichte hat der jetzt 65-Jährige eine wichtige Ära geprägt.

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