Shakespeare auf dem Nachttisch

LUXEMBURG. Nahezu beiläufig begann am Wochenende eine neue Ära für das Luxemburger Nationaltheater. Mit Shakespeares "Hamlet" wurde der neue feste Spielort des TNL eingeweiht.

Der Worte sind genug gewechselt. "Faust" stand zwar nicht auf dem Programm, dennoch nahm Frank Hoffmann sich Goethes Spruch offenbar zu Herzen. Keine Rede dazu, kein Wort darüber vom Leiter des "Théâtre National du Luxembourg", dass es sich bei dieser Premiere wirklich um die Einweihung eines festen Hauses für das bisher als Wandertheater agierende TNL handelte.Bescheidenes Haus ohne architektonische Kulinarik

Fünf Jahre dauerten die Bauarbeiten; fünf Jahre, in denen immer wieder mal in den provisorischen Räumen gespielt, mal zu einem Theaterfest, mal zur "préouverture" eingeladen wurde - ganz so, als befürchte der Hausherr, die Öffentlichkeit könne vergessen, dass da ein Theater im Werden sei. Und jetzt ist es da: ein bescheidener Bau ohne architektonische Kulinarik. Das Haus lässt keinen Zweifel an der experimentellen Konzeption, mit der hier Theater gemacht werden soll. Weder Unter- noch Seitenbühne und auch kein Schnürboden bieten Möglichkeiten für schönen Schein und atemberaubende Effekte. Schwarz und Rot - Erinnerung und Reverenz an die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes als Schmiede - sind die Farben des Foyers und des Saals, der maximal 300 Zuschauer fasst. Die Bänke im Auditorium steigen steil an, so dass man von jedem Platz freie Sicht hat. Die Bühne ist schmal (zehn Meter), doch durch ihre Tiefe (30 Meter) in mehrere Spielebenen zu staffeln - Theater von der Totalen bis zur Nahaufnahme. Zur Weihe des Hauses inszenierte der Hausherr "Hamlet". Mit seinen 46 Jahren ist Thierry van Werveke zwar ein relativ betagter Dänenprinz, doch der Schauspieler überrascht mit Jugendfrische und Ungestüm, die man von dem grüblerischen Blaublüter eher weniger gewohnt ist. Seine Zweifel an der Welt sind folglich für ihn kein Grund, in dumpfe Tatenlosigkeit zu verfallen; zur Inspiration für erfolgreiche Rachefeldzüge liest er zudem "Macbeth", in dem entschlossenere und tatenfrohere Charaktere das Sagen haben. Verdammt sind sie alle, verrückt nicht unbedingt: Myriam Mullers Ophelia ist ein rotzfrecher Teenager, der fast trotzig in den Tod geht. Christiane Rausch und Hermann Treusch als intrigantes und blutbesudeltes Spießerpaar Gertrud und Claudius, auf dessen Nachttisch Shakespeares Foto steht, nutzen jede sich bietende Gelegenheit zu einem Quickie. Urkomisch wird die Tragödie gar, wenn Ralf-Günter Krolkiewicz als Polonius aus der Rolle fällt und den kommentierenden Conférencier gibt oder Rosencrantz und Guildenstern (Raoul Schlechter und Chris Anthony) als Soldaten aus den Gräben des Ersten Weltkriegs auf direktem Weg zu den Keystone Cops zu sein scheinen. Zudem hat Guy Rewenig die Schauspieler- und Totengräberszenen mit deftigem Letzeburger Witz ausgestattet. Es gibt mithin viel zu lachen in diesem Trauerspiel, für das Hoffmann ein geniales Schlussbild findet: Die bereits Gestorbenen und Gemeuchelten versammeln sich auf der Schiedsrichterbank und urteilen über das finale Gemetzel, dem der Rest des Ensembles zum Opfer fällt, ehe sich alle zum stummen Totentanz versammeln. Eine makaber-ironische Allegorie über Sinn und Unsinn von Freund-, Feind- und Seilschaften. Viele Bravos für hervorragende Darsteller und eine gelungene Eröffnung. Weitere Aufführungen: 20., 21., 22., 31. Januar, 1. Februar; Karten: 00352/26441270.

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