Siegfried mit Tirolerhut

Drei Zyklen mit je sieben Wagner-Opern an sieben Abenden: Mit diesem Mammut-Programm locken die Tiroler Festspiele in diesen Tagen Tausende von Zuschauern in das Dörfchen Erl am Inn. Das künstlerische Resultat kann sich sehen und vor allem hören lassen.

 Walkürenritt auf dem Fahrrad: Erl ist immer für skurrile Bilder gut. Foto: Tiroler Festspiele/Rupert Larl

Walkürenritt auf dem Fahrrad: Erl ist immer für skurrile Bilder gut. Foto: Tiroler Festspiele/Rupert Larl

Erl/Tirol. Zur Eröffnung kam der Bundespräsident persönlich, Bergfex Reinhold Messner machte im Vorfeld seine Aufwartung, schon zur Halbzeit konnte man 20 000 gebuchte Tickets vermelden: Keine Frage, die Tiroler Festspiele haben sich im zehnten Jahr ihres Bestehens im Reigen der großen Festivals etabliert.Das hat mit dem klaren Profil zu tun, das Festival-Gründer Gustav Kuhn von Jahr zu Jahr konsequenter herausarbeitet. Man bietet auch in dieser Saison wieder Konzepte, die sich deutlich von Standard-Angeboten abheben. So gibt es den Ring des Nibelungen analog zu seiner Entstehung mit einer Unterbrechung mitten im "Siegfried". So wie Richard Wagner bei der Komposition eine jahrelange Pause einlegte, schiebt man in Erl "Tristan und Isolde" dazwischen und verordnet dem Publikum eine komplette Lesung der "Meistersinger" sowie eine Zugabe mit "Parsifal". In Erl habe "Wagners Ring sieben Teile", so lautet der verkaufsträchtige Slogan des Dirigenten und Regisseurs Kuhn.Aber jenseits des guten Händchens für PR bietet Kuhn auch 2007 wieder ein Klang-Festival, das seinesgleichen sucht. Dass die 120 Musiker seines Orchesters nicht im Graben verschwinden, sondern hoch aufgebaut im Bühnenhintergrund des akustisch grandiosen Passionsspielhauses spielen, erlaubt ein Hör-Erlebnis, wie man es sonst nur von perfekten Studio-Aufnahmen kennt. Da sind ganz neue Nuancen bei Wagner zu entdecken, Feinheiten und Details, die in anderen Produktionen untergehen. Abend für Abend erntet das Orchester - trotz starker Solisten - den größten Beifall des sachkundigen Publikums.Bei den Sängern hat Kuhn im Laufe der Jahre eine profilierte Stammbesetzung kreiert, die sich längst für höhere Aufgaben empfiehlt. So wie den überragenden "Siegfried" Jürgen Müller, einen Tenor, der dramatische Verve, lyrisches Timbre und darstellerisches Talent verbindet wie kaum ein zweiter im internationalen Wagner-Business. Oder die Sopranistin Gertrud Ottenthal mit ihrer großartigen, die Bühne beherrschenden Präsenz, und der junge, wandlungsfähige Bariton Michael Kupfer.Dazu gesellen sich prominente Namen, die sich teilweise in Bestform präsentieren (Kurt Rydl, Manfred Hemm, Richard Decker), teilweise eher als Reminiszenz an große Zeiten gelten müssen (Francisco Araiza, Robert Hale). Aber unterm Strich hat die Besetzung internationales Niveau.Was die szenische Seite angeht, bleibt auf der Bühne platzmäßig und technisch nur der Spielraum einer Schultheater-Aufführung. Kuhn macht aus der Not eine Tugend und aus dem "Ring" ein buntes Spektakel, das zwischen konventionellen und schrägen Bildern hin und her springt. Da trägt die örtliche Feuerwehr das Schiff bei Siegfrieds Rheinfahrt, die Walküren reiten auf skurrilen Fahrrädern, die Riesen kommen als Footballer daher, die Tarnkappe ist ein Tirolerhut - aber dann herrscht auch wieder heiliger Ernst und manchmal sogar der blanke Kitsch.Kuhns Botschaft ist klar: Nehmt das Ganze nicht so furchtbar ernst, achtet auf die Musik. Die große Deutung fürs 21. Jahrhundert steckt in seiner Interpretation kaum, wohl aber mehr pfiffige Erkenntnisse, als sie manch weit ausholendem Psycho- oder Politologen auf dem Regiestuhl gelingen.Das gilt freilich nur, so lange es eine Geschichte zu erzählen gibt und die Sänger darstellerisch stark genug sind, sie über die Rampe zu bringen. Der "Tristan", bei dem es auf Psychologie ankäme, gerät zum langweiligen Steh-Theater, zumal man keine verständliche deutsche Silbe im Gesang der Isolde ausmachen kann. Dennoch: Ein Ausflug ins Tiroler Land lohnt sich. Am 22. Juli beginnt der dritte Zyklus.Info: www.tiroler-festspiele.at. Ein bunter Blick hinter die Kulissen des Festivals im Wochenjournal am Samstag.

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