Sinnlichkeit statt Elfenbeinturm

TRIER. Viel Lob gab's für die Präsentation der ersten Spielpläne des neuen Trierer Intendanten Gerhard Weber. Gegenüber dem TV äußerte sich der künftige Theaterchef über seine längerfristigen Perspektiven und Ideen für die Entwicklung des Hauses.

Da staunten selbst altgediente Kämpen im städtischen Kulturausschuss: Einen so detaillierten, bereits mit Namen von Regisseuren versehenen und frühzeitig vorgelegten Spielplan hatten sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Auch im Haus am Augustinerhof gab es positive Resonanz: Dass der neue Chef den Spielplan im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung vorstellte, bevor er in der Zeitung stand, fand Anerkennung. Von einem "neuen Stil" war oft die Rede. Dass das nicht nur eine Gala-Vorstellung zum Start ist, sondern auf Dauer so bleiben wird - das versichert Gerhard Weber im Brustton der Überzeugung. "Langfristige Planung und Transparenz" habe er schließlich als Intendant der Landesbühne Hannover reichlich geübt. Das Gastspiel-Theater mit verstreuten Spielorten in ganz Niedersachsen wäre ohne systematische Arbeit "nicht zu machen gewesen".Langfristige Planung und Transparenz

Aber Organisation ist nicht das Leib-und-Magen-Thema des designierten Theaterchefs. Lieber redet er über künstlerische Konzepte, über den Spaß am Theater und die Perspektiven, die er entwickelt. Mehr französisches Flair in allen Sparten, eine Stärkung des Schauspiels und gezielte Angebote für das jüngere Publikum: Auf diese drei Grundlinien können sich die Zuschauer in den nächsten Jahren einstellen Vielleicht eröffnet er gerade deswegen die Saison mit einer eige- nen Inszenierung der Tragikomödie "Cyrano de Bergerac". Das ist, erstens, französisch, zweitens ein Schauspiel, und drittens soll es so turbulent und prall zugehen, dass alle Altersgruppen angesprochen werden. Das bringt die Ideen Webers auf den Punkt: "Sinnlichkeit" soll sein Theater ausstrahlen, "Lebendigkeit statt Elfenbeinturm". Deshalb nehmen Comedy und Musical, Pop-Ballett und Operette eine beachtliche Spielfläche in Webers Theater ein. Das klingt auf den ersten Blick ein bisschen nach fröhlichem Tralala. Der Intendant ahnt, dass er dem Verflachungsverdacht ausgesetzt sein könnte - und hält dagegen. Mit dem, was er "Psycho-Theater" nennt. So wie Janaceks Oper "Katja Kabanova", für die mit Bruno Klimek ein hochinteressanter Opernregisseur erstmals nach Trier kommt. Die Mischkalkulation ist einfach: Dirk Bach und der Vogelhändler füllen die Scheuer, dann kann man im Gegenzug ein paar Risiken eingehen. Zum Beispiel, indem man zum Schiller-Jahr 2005 nicht die "Räuber" oder "Don Carlos" präsentiert, sondern ein "Schiller-Projekt", das verschiedene Werke zusammenfasst. In anderen Theatern ist das längst gang und gäbe, in Trier wird man das Publikum dafür erst finden müssen. Ebenso wie für das unbekannte Migranten-Stück "Schafe und Wale", mit dem Weber mutig ins große Haus will, "weil so ein brisantes Thema einfach ins große Haus gehört". "Schafe und Wale" kommt aus dem französischen Sprachraum, ebenso wie Offenbachs Opernausgrabung "Rheinnixen", eine Savary-Komödie oder das Ballett "Die Flamme von Paris". Das einst von Napoleon initiierte Trierer Theater soll an historische Zeiten anknüpfen und frankophilen Charme entwickeln - ein ebenso reizvoller wie nahe liegender Gedanke, und eine Chance, unverwechselbares Profil zu gewinnen.Activity-Programm für Jugendliche

Bleibt die vielleicht wichtigste Aufgabe: der Brückenschlag zum jüngeren Publikum. Dafür hat die neue Theaterleitung mit der 40-jährigen Sylvia Weber eine Fachfrau engagiert, die am Theater Osnabrück Projekte in und mit Schulen gestaltet hat und als Bindeglied in die Schul- und Jugendszene der Stadt fungieren soll. Der Jugendclub wird fortgeführt, das Angebot erweitert. Mit dem Titel "Activity" erhält die Jugendarbeit ein eigenes "Label". Dabei lautet die Devise auch schon mal "Raus aus dem Haus". Ein Stück soll zur Aufführung in Schulen konzipiert werden, eine weitere Produktion steigt im Szenetreff "Forum", direkt neben dem Theater. Darum kümmert sich der neue Chefdramaturg Peter Oppermann (34), schon in Hannover Gerhard Webers "zweiter Mann" - und maßgeblich am Schneidern des Konzeptes für Trier beteiligt. Auch die Öffentlichkeitsarbeit liegt künftig in seiner Hand. Für die Qualität und die Linie im Musiktheater, um die sich nach dem Ende der Ära Lukas-Kindermann mancher in Trier Gedanken macht, ist künftig der Musikdramaturg Peter Larsen zuständig. Der promovierte Musikwissenschaftler kommt vom Theater Nordhausen und verzeichnet in seiner Vita die rare Kombination von wissenschaftlichem Renommee mit dem Hobby des Kabarettisten und Moderators. Vielleicht kann er sein Multitalent gleich gewinnbringend einsetzen: Am 9. Oktober will Gerhard Weber das Publikum zu einem großen Theaterfest in das Haus am Augustinerhof einladen. Mit mehreren Premieren sogar. Damit die "Theaterlust", so das Motto, gleich richtig angekurbelt wird.

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