Skulpturen wie Lebensbilder

TRIER. Eine außerordentlich reizvolle Ausstellung präsentiert die Trierer Galerie Palais Walderdorff. Dort zeigt Armin Göhringer seine Holzskulpturen.

 Achim Göhringer legt den Schwerpunkt auf Linien. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Achim Göhringer legt den Schwerpunkt auf Linien. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Schon einmal hat ein Künstler in Trier Leere sichtbar gemacht. Mit seinem "Cage of freedom" (Käfig der Freiheit) oben auf dem Gelände der Europäischen Rechtsakademie hat Eduardo Chillida dem Freiraum eine eindrucksvolle Gestalt gegeben. Nun ist einmal mehr solch gekonnte Raum-Fassung zu bewundern. In der Galerie Palais Walderdorff präsentiert Armin Göhringer gleichsam eine naturgebundene Variante von Chillidas stählernen Raumgefügen. Das Holz ist das bevorzugte Material des 1954 geborenen Bildhauers, was bei der Herkunft des Künstlers aus einem Schwarzwaldtal fast schon natürlich erscheint. Vielleicht liegt es am transparenten Raum der Galerie aus Glas und Stahl. Aber selten wurde so unmittelbar augenfällig, wie sich Natur und künstlerische Formgebung gleichzeitig fliehen und doch aufs Beste finden können (um es frei nach Goethe zu sagen) wie in dieser Ausstellung. Der Werkstoff Holz - das bedeutet Natur, Wachstum, Bewegung, aber auch Einschluss von Zeit und Erinnerung an Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte. Solch natürlichem Prozess steht die Kunst entgegen. Sie greift ein, verletzt seine Geschlossenheit, setzt neue Formen und formuliert neue Ziele. In genau diesem Spannungsfeld bewegt sich Armin Göhringer. Immer bewahren seine Skulpturen den Augenschein ihrer natürlichen Ursprünglichkeit. Die raue, verwitterte Oberfläche des Holzes verleiht ihnen nicht nur eine ganz eigene griffige Ästhetik, sie ist auch offen gelegte Vergangenheit und Lebensgeschichte. Und doch: Der sichtbaren Natur setzt Göhringer den eigenen geistigen und künstlerischen Willen entgegen. Im Holz schafft er Gefüge aus senkrechten und horizontalen Linien, sägt Leerstellen und Freiräume aus der kompakten Masse. Was dabei entsteht, sind staksige Gebilde aus schweren Blöcken und schmalen Stegen, engmaschiges Gitterwerk und vertikale Scheiben oder Skulpturen aus feinen schwarzen Holzrahmen, die wie Umrisszeichnungen den leeren Raum fassen. "Die senkrechte Linie ist Symbol für das Aufrechte, Metapher für Streben und Kraft, die waagerechte Linie Horizont für das Auge, Symbol für Stille und Ruhe", beschreibt Göhringer jenes Koordinatensystem, das seine Skulpturen und vor allem seine ausgesägten Leer-Räume in Form hält. Sie sind das Wesen, die Innenwelt von Göhringers bildhauerischen Arbeiten. Über jene Freiräume, jene Eingriffe und Verletzungen des Althergebrachten entsteht Raum für Bewegung und neue Bilder - so wie im richtigen Leben. Bis 18. März Di-Fr 11-13 und 14-17 Uhr, Sa u.So 10-13 Uhr, Telefon 0651-66671.

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