So einfach kann Musiktheater sein

Opern-Sternstunde in Luxemburg: Das Grand Théatre vereinigt in einer hinreißenden Produktion von Rossinis "Italienerin in Algier" musikalische Leistungen auf höchstem Niveau und eine pfiffige, sehr unterhaltsame Inszenierung.

Luxemburg. So einfach kann Musiktheater sein: Ein effektives, gut bespielbares Bühnenbild in Form eines zweigeschossigen Turms, der immer wieder spannende Auftritte ermöglicht und sich mit minimalem Aufwand in einen Schiffs-Bug verwandeln lässt. Plus ein halbes Dutzend brillanter Sänger-Schauspieler, bei denen jede Bewegung, jede Geste, jeder Ton sitzt. Und als Sahnehäubchen eine Regie, die Rossinis Komödie nicht überlädt, sondern die Stilmittel der klassischen Commedia dell'arte mit einem gehörigen Schuss Selbst-Ironie kombiniert. Man muss die Handlung der "Italiana" nicht furchtbar ernst nehmen: Mächtiger, aber auch etwas einfältiger türkischer Macho wird von emanzipierter Südländerin nach Strich und Faden über den Löffel balbiert. Aber Regisseur Toni Servillo macht das mit so leichter Hand, so federnd, dass man gar nicht an mögliche Fallstricke denkt. Der Chor "Per la Lirica Toscana" kann auch die frauenfeindlichsten Sprüche singen, ohne dass es weh tut, weil Kostümbildnerin Ortensia de Francesco die brillant agierenden Herren in Pluderhosen gesteckt und die - nicht immer model-mäßigen - Oberkörper freigelassen hat. Da braucht man keine Ironie mehr zu demonstrieren, da sieht man sie einfach. Und, auch wenn es paradox klingt, die Sänger singen sogar mit einem Augenzwinkern.Aufgeboten sind zwei hoch gehandelte internationale Kapazitäten unter den männlichen Koloratur-Spezialisten: Der Tenor Maxim Mironow und der Bariton Marco Vinco. Die Erwartungen werden mehr als erfüllt. Mironow ist ein klassischer "Tenore die Grazia" mit einem fast an der Grenze zum Counter angesiedelten, hohen, ungewöhnlich charakteristischen Timbre. Aufwärm-Phase für das Orchester

Man hat keine Sekunde das Gefühl, dass da einer mit den enorm schwierigen Koloraturen kämpft - Mironow beherrscht sie einfach.Vinco macht womöglich noch mehr staunen, denn dass eine Stimme mit solch fülliger baritonaler Kraft über eine fast beliebige Beweglichkeit verfügt, ist selten. Und dass ein begnadetes Spiel dazu kommt, noch viel seltener.Barbara di Castris Isabella steht in der Titelrolle den beiden Kollegen weder an Spielfreude noch an Stimmglanz nach. Und selbst kleinere Partien sind mit Vittorio Prato und José Julian Frontal so besetzt, dass keinerlei Wünsche offen bleiben.Das Orchestre Philharmonique de Luxembourg braucht eine Aufwärm-Phase, um sich in Rossinis Welt einzufinden. Aber dann entwickelt Dirigent Hubert Soudant eine von Takt zu Takt wachsende Einheit zwischen Orchester, Chor und Solisten, die weniger durch nüchternen technischen Glanz begeistert als durch einfühlsame, aber auch gewitzte Illustration der Handlung.Am Ende rauschende Ovationen. Am morgigen Dienstag um 20 Uhr gibt es eine weitere Vorstellung. Am Wochenende waren noch einige Rest-Karten zu haben. Info: 00352/47965900 oder www.theater-vdl.lu

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