Spuren im Nebel

Eine Insel, auf der nicht alles so ist, wie es scheint. Ein Mann, der eigentlich tot sein sollte. Und ein Junge, der spurlos verschwindet. Das sind die Zutaten, die aus Johan Theorins Buch "Öland" einen faszinierenden Krimi machen.

 Auch an klaren Tagen strahlt die schwedische Insel Öland im Südosten des Landes ein Mysterium aus, das sich nur schwer ergründen lässt. TV-Foto: Rebecca Schaal

Auch an klaren Tagen strahlt die schwedische Insel Öland im Südosten des Landes ein Mysterium aus, das sich nur schwer ergründen lässt. TV-Foto: Rebecca Schaal

(bec) 20 Jahre ist es her, seit der fünfjährige Jens im Nebel der schwedischen Insel Öland verschwand. Eben noch spielt er vor dem Haus seiner Großeltern - und plötzlich ist er weg. Ohne eine einzige Spur zu hinterlassen.

Das Verschwinden lässt weder seine Mutter Julia, die mittlerweile auf dem Festland lebt, noch seinen Großvater Gerlof ruhen. Als Gerlof Indizien findet, die darauf hin deuten, dass Jens ermordet wurde, muss sich Julia ihrer Vergangenheit stellen - und zurück nach Öland. Dorthin, wo die Leute behaupten, dass der mysteriöse Eigenbrötler Nils Kant etwas mit dem Verschwinden des Jungen zu tun hat. Obwohl Kant zum Zeitpunkt des Verschwindens längst tot unter der Erde liegt. Oder stimmt etwa das Gerücht, dass sich Kant immer noch auf der Insel umhertreibt?

Skandinavische Kriminalromane liegen nach wie vor sehr im Trend. Johan Theorins "Öland" hat allerdings nicht viel gemein mit Henning Mankell oder Håkan Nesser, den beiden wohl berühmtesten schwedischen Krimi-Autoren. Denn obwohl es sich bei "Öland" um einen durchaus spannenden Plot handelt, gibt es andere Dinge, durch die das Buch noch mehr besticht.

Es sind zum einen vielmehr die Figuren, die durch teilweise brillante Charakterisierung bestechen. Allen voran Julia, hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Eine durch das ungewisse Schicksal ihres Sohnes gebrochene Frau, die gezwungen wird, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, und die dadurch langsam ins Leben zurückfindet. Faszinierend ist auch das Verhältnis zu ihrem 80-jährigen Vater Gerlof, das bei weitem nicht einfach ist. Dabei sind es die Ereignisse vom September 1972, die die Bindung der beiden einst durchtrennte. Die sie in der Gegenwart aber wieder ganz langsam verknüpft.

Diese Faszination gilt aber auch für die rätselhafteste Figur dieses Buches, Nils Kant. Seine Geschichte wird durch geschickt miteinander verwobene Zeitsprünge in das Schweden der vierziger Jahre erzählt und langsam entschlüsselt.

Die "Hauptperson" des Buches allerdings ist eine andere: die Insel Öland. Theorin, der seine Kindheit im Sommer dort verbrachte, wirft einen Blick hinter die Fassade der beeindruckenden, manchmal aber auch bedrückenden Ausstrahlung dieser Insel, die vor allem im Sommer bei Touristen sehr beliebt ist. Er wagt einen Blick hinter die Oberfläche, unter der Fassaden sichtbar werden, von denen die Farbe abblättert und Menschen, die ein ambivalentes Verhältnis zu diesem kleinen Stück Schweden haben, das für Urlauber ein kleines Paradies sein mag - für seine Bewohner aber manchmal zum Inbegriff für Einsamkeit und Langeweile wird.

Es gibt bestimmt schwedische Krimis, deren Inhalt spannender ist als Johan Theorins "Öland". Dennoch fesselt dieses Buch. Nicht durch Action, sondern durch seine Ruhe, durch die Zeit, die sich der Autor nimmt. Man muss sich einlassen auf die Geschichte, auf die Entwicklung der Figuren, um ihren Wert zu erkennen.

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