Stadttheater für Alt-68er

TRIER. Die Tuchfabrik, Triers Vorzeige-Kultureinrichtung für das jüngere Publikum, leidet unter Auszehrung – ausgerechnet bei der Kernzielgruppe Studenten. Ein neuer Trägervereins-Vorstand sucht nach erfolgversprechenden Ansätzen.

Seit Jahren wird Oberbürgermeister Helmut Schröer nicht müde, vor studentischem Publikum das Engagement seiner Stadt für ihren akademischen Nachwuchs zu preisen. Als liebstes Beispiel pflegt das Stadtoberhaupt dabei die Tuchfabrik anzuführen, vor über 20 Jahren als Zentrum der alternativen Kultur gegründet. Doch in letzter Zeit musste der OB registrieren, dass seine jungen Zuhörer auf das Exempel nur mit Achselzucken reagierten. Als im letzten Jahr Studenten in einer Examens-Arbeit die bevorzugten Freizeit-Ziele ihrer Kommilitonen ermittelten, fand die Einrichtung in der Wechselstraße nicht einmal als Fußnote Erwähnung."Die Studenten sind uns einfach weggebrochen"

"Die Studenten sind uns im Laufe der Zeit einfach weggebrochen", beschreibt Tufa-Geschäftsführerin Gisela Sauer das Phänomen. Insgesamt können sich die Besucherzahlen mit rund 70 000 im Jahr durchaus sehen lassen, aber viele davon stammen noch aus der Gründergeneration. Sie sind Stammgäste geblieben aus Tagen, da die Tufa die Trierer Kulturszene auffrischte und in guten Jahren die 100 000er-Marke keine unüberwindliche Hürde war. "Wir können uns mit der Situation nicht zufriedengeben", sagt Ralf Kotschka, seit Oktober Vorsitzender des Trägervereins Tufa e.V. Der Tuchfabrik fehle "die Leitlinie", moniert er, "und eine professionelle PR-Arbeit". Die Zeiten, da das junge Publikum den Weg von allein gefunden habe, seien passé. Tatsächlich sind viele Trends der vergangenen Jahre an dem alternativen Kulturzentrum vorbeigerauscht. Die Independent-Szene residiert im Exhaus, die Comedy hat im Palais ihre Heimstatt gefunden, die Club-Szene tanzt im Forum, die Partygänger in der Idealbank. Mit der Tufa assoziieren die meisten Kabarett, Folk, Jazz, freies Schauspiel und Kurse, wie vor 20 Jahren. Sozusagen das Stadttheater für die Alt-68er. Man müsse "erst einmal beginnen, nachzudenken, was Studenten heute überhaupt wollen", empfiehlt Kotschka. Er setzt auf "kleine Kooperationen", beispielsweise mit den Kommunikations-Designern an der Fachhochschule, die derzeit ein komplett neues Erscheinungsbild für die Tufa entwickeln. Seit die FH verschiedene Projekte in der Tuchfabrik betreut, "kommen immer wieder Studenten und wundern sich, was für tolle Möglichkeiten wir hier haben". Tatsächlich gilt die Tufa bundesweit als Modellprojekt für "soziokulturelle Zentren". Die Struktur ist einmalig: Die Stadt finanziert das Gebäude, den Unterhalt und das Personal, ein ehrenamtlicher Trägerverein, in dem sich wiederum Kultur-Vereine organisiert haben, ist für das Programm verantwortlich. Die Hauptamtlichen sollen Kontinuität und Qualität sichern, der Trägerverein sorgt für die Verbindung zur "Basis". Aber das Modell ist weder besonders flexibel noch einladend für engagierte Jüngere. Im Laufe der Jahre habe sich "ein verlogenes System entwickelt, bei dem eine Handvoll Leute die Großprojekte unter sich aufteilen", donnerte im Katz-Jahrbuch der langjährige Vorsitzende Helmut Schwickerath - und zielte auf die Geschäftsführerin. Frühere Vorstände seien zu unflexibel gewesen und hätten eine Neuorientierung blockiert, hält Gisela Sauer dagegen. Sie verweist auf erfolgreiche Projekte für das junge Schüler-Publikum, wie das Musiktheater "Jumuth". Zurzeit sind Vorstand und Geschäftsführung offenkundig dabei, sich neu zu sortieren. "Wir wollen in die gleiche Richtung", sagt Sauer, und auch Kotschka meidet persönliche Animositäten. Bei der Neuorientierung erwarten er und sein Vorstandskollege Karl-Heinz Breidt aber eindeutige Unterstützung durch die Hauptamtlichen. Man will sich Richtung Studenten vortasten, denkt über einen Salsa-Club und eine Audio-Video-Lounge nach, will ein Mail-Informations-System aufbauen. In den derzeitigen Frauenraum, der innerhalb des Hauses umzieht, könnte eine innerstädtische Anlaufstelle für Uni und FH einziehen. "Wir müssen die Kommunikation zwischen der Tufa und den Studenten ausbauen", lautet denn auch die klare Vorgabe von Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink.

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