Start mit Hindernissen

LUXEMBURG. (mö) Ein gelungener Start sieht anders aus: Die Auftragskomposition kam zu spät, und bei den Beethoven-Interpretationen zum Auftakt-Konzert der Luxemburger Philharmonie blieben Defizite. Wenn da nicht Evelyn Glennie gewesen wäre.

Das "Orchestre Philharmonique du Luxembourg" (OPL) startete die neue Saison nicht gerade aus der Pole-Position. Die Auftragskomposition von Bright Shen wurde nicht rechtzeitig fertig, und hätte nicht Evelyn Glennie auf dem Podium gestanden, man hätte um den Erfolg des Konzerts fürchten müssen.Phänomenale Percussion-Spielerin

Aber es kam ja die phänomenale Percussions-Spielerin. Barfuß, in fein gewebtem Umhang und rot glitzernder Hose brachte sie etwas Artistisches, Zirkusnahes ins Luxemburger Stadttheater. Und dann spielte sie Trommel, Marimbaphon, Vibraphon mit einer Energie, die dem Zuhörer den Atem verschlägt. Großartig! Dabei waren die Werke nur respektabler Durchschnitt. Das Konzertstück für kleine Trommel und Orchester von Askell Manson bietet farbenreichen Orchesterklang, ist aber sonst wenig originell. Die "Sechs Miniaturen für Marimbaphon" des Deutschen Matthias Schmitt sind sehr sorgfältig und mit genauem Klangsensorium fürs Marimbaphon gesetzt, lösen sich aber nicht vom spätromantischen Charakterstück. Und Vivaldis Concerto für Piccoloflöte ist nicht mehr als ein origineller Beitrag zur barocken Konzertliteratur. Aber was macht Evelyn Glennie aus dieser Musik! In Mansons Konzertsatz verliert die Trommel alles Aufdringliche und zugleich Nebensächliche. Nicht nur das Tempo, nicht so sehr die rhythmische Prägnanz begeistern, sondern etwas anderes: die schier unglaubliche Intensität, vor allem in der großen Kadenz vor Schluss. Und dann: In wieviel Farb-Nuancen brillierte Schmitts Zyklus! Schließlich das Vivaldi-Konzert in Glennies Version für Vibraphon - gefällige Virtuosität ohne Leerlauf. Dazu das OPL unter Bramwell Tovey mit einem schlanken, behenden Vivaldi-Stil. Keine Frage: Evelyn Glennie ist eine große Musikerin. Schade, dass sie keine wirklich große Musik spielte. Die Musik der Wiener Klassik ist schwierig. Das zeigten einmal mehr die Beethoven-Interpretationen des Abends. Bramwell Tovey näherte sich der Ouvertüre "Leonore III" von der lyrischen Seite, betonte das Bläser-Filigran in der Einleitung, leuchtet die Vielstimmigkeit im Mittelteil aus. Die abschließende "Eroica" überzeugte in den tänzerischen Partien des Finales und im energischen Scherzo. Und überhaupt: Das OPL musizierte die Verästelungen der Partitur weitgehend sauber und sorgfältig aus. Wenn freilich das Pathos bei Beethoven einzieht, findet der Dirigent keinen Zugang. Dann flüchtet er sich in den konventionellen, wuchtigen Klang, setzt einseitig auf Lautstärke und lässt das übergroß besetzte Orchester plakativ auftrumpfen. Was fehlt, ist die geschärfte Prägnanz der Beethovenschen Musik, ihre offensive, dramatische Energie. Noch hat Bramwell Tovey seinen Beethoven-Stil nicht gefunden.

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