Stiefkinder an Bahngleisen

TRIER. Traurige Bilder. Der Bahnhof Konz-Karthaus ist durch Bretter-Verschläge entstellt, in Wiltingen an der Saarstrecke gähnen leere Räume, und überhaupt: Viele Bahnhöfe gammeln vor sich hin. Dabei sind sie oft architektonisch bedeutende Kulturzeugen. Und manchmal gibt es auch interessante Nutzungskonzepte.

Bahnhofsgebäude Konz-Karthaus - ein Jammerbild. Wiltingen: Ein Geländer-System schützt die Reisenden vor durchfahrenden Zügen und macht die Hässlichkeit des verfallenen Bahnhofgebäudes komplett. Konz: ein heruntergekommenes Architektur-Schmuckstück, noch bis zur Umgestaltung des Areals mit einer Servicestelle ausgestattet, im übrigen gähnend leer. Die Gastwirtschaft ist längst ausgezogen. Diese Beispiele ließen sich fortsetzen. Bahnhöfe sind zum überflüssigen Immobilienbestand verkommen, funktionslos, ohne Bewohner. Selbst die Reisenden schlagen in der Regel einen Bogen um die alten Gebäude und gehen direkt zu den modern-uniformen Ticket-Automaten an den Gleisen der "neuen" Bahn, die in der Nähe eingerichtet sind. Dabei verkörpern die alten Bahnhofsgebäude eine Kultur der Mobilität, die das frühe Industriezeitalter geprägt hat wie kaum sonst eine technische Entwicklung. Mit dem Bau der Strecken Saarbrücken-Trier (1860 fertiggestellt), Koblenz-Trier (1879 fertiggestellt) und Köln-Trier (Teilstück Gerolstein-Trier 1871 eingeweiht), wurde auch die Errichtung neuer Bahnhöfe notwendig. Sie waren nicht nur Reisestationen, sondern kleine Verkehrszentralen mit allem, was dazu gehört: Stellwerk, Abfertigung von Personen- und Güterverkehr, Wartesaal und dazu immer Wohnung für die örtlichen Bahnbediensteten. Sie fungierten als Repräsentations-Objekte der Bahngesellschaft. Vor allem: Sie waren für die Bewohner der armen und dünn besiedelten Trierer Region das verheißungsvolle Tor zur weiten Welt, Symbole für ein Leben jenseits der Provinz. Bis heute sind diese Funktionen erkennbar in den schlossähnlich gestalteten Fassaden, manchen kathedralähnlich hoch aufgerichteten, mehrgeschossigen Gebäudeteilen, den repräsentativen Portalen. "Durch Freistellung in der monumentalen Erscheinung gesteigert", heißt es in der Denkmäler-Topographie des Kreises Trier-Saarburg über den Bahnhof Konz. Die Aussichten für die einzigartige Bahnhofsarchitektur in der Region sind recht gemischt und zum Teil katastrophal. Bahnhofsgebäude fallen nicht selten in ein schwarzes Loch der Funktionslosigkeit. Für die Deutsche Bahn AG haben sie meist keinen Wert mehr. Die Beamten sind ausgezogen, andere Bewohner finden sich nicht, fast immer haben die Verkaufsstellen dicht gemacht, und die Bahnhofswirtschaften lohnen nicht mehr den Betrieb. Zu einem offensiven Umgang mit den Denkmälern des Eisenbahnzeitalters fehlen die finanziellen und die personellen Mittel. Was bedeutet: Wenn nicht Privatleute oder die Kommunen einspringen, verfallen die Empfangsgebäude weiter, bis irgendwann die Bausubstanz gefährdet ist. Bleibt die Suche nach einem privaten Investor und einem Nutzungskonzept, das dem Gebäude nicht schadet und sich wirtschaftlich lohnt. Der Unternehmensberater Rolf Driesen hat das Bahnhofsgebäude in Auw/Kyll an der Eifelstrecke nach Köln gekauft und zum Wohnhaus für seine Familie umgebaut. In Kyllburg und Bitburg-Erdorf legte die Bahn selber Hand an. Die Gebäude sollen verkauft werden, und wer erwirbt schon eine Ruine? Schließlich hat mancherorts auch die Kommunalpolitik die Bahnhöfe entdeckt. Die Stadt Traben-Trarbach hat den alten Bahnhof in Traben vor einigen Jahren gekauft. 2003 wurde er zum Stadthaus umgebaut mit Verkehrsamt, Bürgermeisterbüro und Sitzungssaal. Auch bei den Bahnhöfen Trier-Süd und Igel sind Umnutzungen gelungen. Und in Jünkerath hat Ortsbürgermeister und Eisenbahn-Fan Rainer Helfen eine Umgestaltung angestoßen, die den zum Verkauf stehenden Bahnhof zum wichtigsten Teil der neu gestalteten Dorfmitte machen soll. Solche Nutzungskonzepte sind freilich nur in Einzelfällen realisierbar - und ob sie in Jünkerath realisiert werden können, ist offen. Die Bahn jedenfalls zieht sich aus den Gebäuden zurück. Iris Hannappel, Leiterin des Trierer Bahnhofsmanagements, erklärt, die Bahn werde von den vorhandenen 24 Empfangsgebäuden der Region Trier nur noch die in Trier, Gerolstein und Wittlich-Wengerohr behalten und alle anderen veräußern. Bis Ende 2009 sollen die übrigen 19 Bahnhöfe verkauft sein. Ob dieses Ziel erreicht wird, steht in den Sternen. Mit diesem Artikel beginnen wir eine Serie, in der wir denkmalgeschützte Bahnhöfe der Region vorstellen. Sie sind auch lohnende Ziele für Kulturtouristen - meist mit dem Zug zu erreichen, aber auch mit dem Rad. Einige Gebäude stehen an der stillgelegten Strecke Daun-Wittlich, heute der "Maare-Mosel-Radweg".

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