Stimmen-Fest in Luxemburg

Eine unbekannte Belcanto-Oper, ein exzellentes Orchester, ein zupackender Dirigent und sechs Sänger des Extraklasse: Aus dieser Mischung zauberte das "Grand Théâtre" in Luxemburg einen außergewöhnlichen Abend.

Luxemburg. Gioacchino Rossini kennt man vorrangig als Komponist einer Unzahl komischer Opern. Seine ernsten Werke haben sich seltener durchgesetzt, manche sind fast vollständig in Vergessenheit geraten. Wie "Elisabetta, Regina d'Inghilterra". Die Geschichte um die englische Königin Elisabeth I. und ihre unerfüllte Liebe zum Edlen Earl of Leicester, gespickt mit allerlei Intrigen und Verwirrspielen, gehört nicht zum gängigen Opern-Repertoire. Was man, zumindest musikalisch, bedauern kann.Das Opernhaus Brüssel hat eine konzertante Version der "Elisabetta" entwickelt, und neben Paris und Amsterdam kam auch das Luxemburger "Grand Théâtre" in den Genuss einer Aufführung. Die Aussicht auf ein Stimmen-Festival sorgte für ein volles Haus.So ganz unbekannt ist die "Elisabetta" freilich auch wieder nicht. Die Ouvertüre hat Rossini für den kurze Zeit später entstandenen "Barbier von Sevilla" recycelt, und auch die berühmte Arie "Una voce poco fa" hat ihren Ursprung hörbar in der Königinnen-Oper. Rossinis Belcanto ist Stimmband-Akrobatik pur. Da geht es weniger um den glaubhaften Ausdruck von Gefühlen als um Virtuosität, und es kann durchaus passieren, dass ein grandioser Tenor wie Antonino Siragusa den gelungenen Drahtseilakt einer besonders halsbrecherischen Arie mit einer "Becker-Faust" feiert. Es gibt etliche solcher Momente an diesem Abend. Die Sänger-Besetzung kann das Prädikat "Weltklasse" für sich beanspruchen. Gregory Kunde singt einen kraftvollen, höhensicheren, gestaltungsmächtigen Leicester, Siragusa brilliert mit dem Porträt des eitlen Intriganten Norfolc, und der dritte Tenor (drunter tut's Rossini nicht) Yves Saelens überzeugt durch hohe Gesangskultur. Bei den Damen stehen sich die Sopranistinnen Marguerite Krull (eine ausdrucksstarke, differenzierte Elisabetta) und Annamaria dell'Oste (als Matilde ein Koloratur-Wunder) in nichts nach, wenn es um stimmliche Finesse und präzise Artikulation geht. Blandine Staskiewicz (Enrico) ist akustisch und optisch gleichermaßen ein Leckerbissen.Julian Reynolds entlockt seinem Brüsseler Opern-Orchester einen außerordentlich feinen, nuancierten Klang, der es erlaubt, bis in die Details der einzelnen Instrumentengruppen genau hineinzuhören. Stimmige Tempi, ein rundes Gesamtbild. Da dankte selbst das eher spröde Luxemburger Opernpublikum mit Ovationen.

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