Sympathisch ehrlich und herrlich hilflos

TRIER. (ruf) Zwei "Blutsbrüder" im Alltagstest: Im neuen Studio-Stück des Theaters Trier versuchen die beiden ehemaligen Heim-Insassen Elling und Kjell Bjarne im Leben zurecht zu kommen. "Elling", die "verrückte" Geschichte zweier liebenswerter Typen, ist feinsinnig und humorvoll inszeniert.

Der beste Weg als Dichter rasch bekannt zu werden, führt aus den Supermarktregalen auf den Küchentisch und wieder zurück. Jedenfalls für den Frührentner Elling. Er präpariert Sauerkrautverpackungen: Ein bisschen Kraut heraus nehmen, einen Schnipsel Papier - freilich mit einem Gedicht drauf - hineinstecken und alles wieder verschließen. Eine verrückte Idee von Elling, das Sauerkraut dann zurück in den Supermarkt zu bringen und seine Lyrik auf diesem Wege unters Volk. Aber sie passt zu diesem neurotischen Typen, der 36 Jahre lang mit der geliebten Mutter zusammen gelebt hat. Nach ihrem Tod übermannt ihn die Wirklichkeit, er hat Angst vor den Menschen und landet in der Psychiatrie. Dort freundet er sich mit Kjell Bjarne an, seinem manischen, herzensguten Zimmergenossen. Mit ihm zusammen darf er schließlich ins Leben zurück, in eine gemeinsame Wohnung in Oslo. Nun erwartet die beiden Ängstlichen der Alltag, der beiden schwer auf der Seele liegt.Intellektueller und Mann aus dem Volk

"Blutsbrüder" heißt der Roman des norwegischen Star-Schriftstellers Ingvar Ambjørnsen, den Axel Hellstenius für die Bühne bearbeitetet hat. In der Trierer Inszenierung des Erfolgsstücks spielt Markus Angenvorth Elling gemütvoll zaudernd, schüchtern und charmant. Jedoch: So scheu er allem Fremden begegnet, so patzig behandelt er Sozialarbeiter Frank (lässig: Michael Rasche). Kjell Bjarne, den Raimund Wissing schräg und liebenswert spielt, ist einfacher gestrickt als Elling: Er mag Rentierfrikadellen und Hochglanzposter, ordnet seinen Werkzeugkasten und träumt beharrlich vom ersten Abenteuer mit einer Frau.Schließlich findet er die Nachbarin Reidun im Treppenhaus - hochschwanger und völlig betrunken. Eva Steines übernimmt eine Dreier-Rolle. Rasant wandelt sie sich von Krankenschwester Gunn in eine üppige Kellnerin und schlurft schließlich als Reidun durch die Kulissen, die Uta Kreher entworfen hat. Das "Wohnungsinventar" ist auf weiße Wände gezeichnet. Tisch, Regal, Garderobe - alles ist akkurat ausgemessen. In diese genormte Strenge wollen Elling und Kjell Bjarne gar nicht recht passen.Florian Burg inszeniert den herrlichen Stoff genau richtig: Komisch und humorvoll setzt er das Stück in Szene, ohne dessen Ernsthaftigkeit und Tragik zu verwischen. Die unterhaltsame Seelenstudie bescherte der gleichnamigen norwegischen Verfilmung nicht umsonst eine Oscar-Nominierung. Das Trierer Premieren-Publikum applaudierte begeistert.Weiter Vorstellungen im Februar: 13., 15., 27., 28. und 29.,Karten: 0651/718-1818.

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