Tastenrausch und Poesie

Der "Concours Reine Elisabeth" in Brüssel, benannt nach der belgischen Königin, gehört zu den bedeutendsten Klavierwettbewerben der Welt. Wer ihn gewonnen hat, dem stehen die Tore zur internationalen Karriere offen. Seit 1938 wird er alle vier Jahre ausgetragen, erster Preisträger war damals Emil Giles.

Luxemburg. In diesem Jahr gab es ein Novum beim Concours. Erstmals wurde mit Anna Vinnitskaya einer Frau der begehrte Preis zuerkannt und auch auf dem zweiten Platz konnte sich die männliche Konkurrenz nicht etablieren. Der Preis ging an die Bulgarin Plamena Mangova. Beiden Pianistinnen bot das Musikfestival Echternach im großen Auditorium der Luxemburger Philharmonie eine Plattform, sich nach dem erzielten Erfolg dem Publikum zu präsentieren. Vor ausverkauftem Haus traten die jungen Damen an, unterstützt vom Orchestre Philharmonique du Luxembourg (OPL) unter der Leitung von Emmanuel Krivine.Das mit dem OPL ein Spitzenorchester auf der Bühne saß, braucht eigentlich gar nicht erwähnt zu werden. Krivine gestaltete den Auftakt des Abends mit den Variationen über ein Thema von Joseph Haydn, Opus 56a, aus der Feder von Johannes Brahms. Er schaffte es restlos überzeugend, die Spannung zwischen dem andachtsvollen Ernst des Themas und der teilweise sehr munteren Heiterkeit aufzubauen und zu halten. Stützen konnte er sich dabei auf einen souverän agierenden Klangkörper, der mit seinen Fähigkeiten den ganzen Abend über glänzte.Makelloses Spiel

Mittelpunkt des Geschehens aber waren natürlich die beiden Klavierkonzerte, mit denen sich die in Brüssel siegreichen Künstlerinnen vorstellen wollten. Da war zunächst die Bulgarin Mangova mit Frédéric Chopins Klavierkonzert Nr. 2 in f-Moll, Opus 21. Makellos war es, was die 27-Jährige den Zuhörern zu bieten hatte. Bei aller Virtuosität betörte sie aber am meisten mit dem zweiten Satz, dessen zarte Poesie bei Mangovas exzellentem Anschlag buchstäblich in besten Händen lag. Die Quittung dafür war ein begeistertes Publikum.Virtuosität war auch nach der Pause gefragt, bei Peter Tschaikowskis Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll, mit Vinnitskaya in der Solistenrolle. Nach dem, was die 1983 geborene Russin zusammen mit dem OPL darbot, konnte man die Jury und deren Entscheidung nur zu gut verstehen.Natürlich ist das Opus 23 ein Paradestück für Tastenlöwen, aber es besitzt mehr als nur Fingerakrobatik. Zügige, aber keine überzogenen Tempi, Tastenrausch, aber auch subtile Lyrik bestimmten das Geschehen in einem wohlausgewogenen Verhältnis. Wohl verdient war der jubelnde Applaus, mit dem die Studentin der Hamburger Musikhochschule bedacht wurde. Wenn die junge Solistin in Zukunft während ihres Auftritts noch auf das Kaugummikauen verzichtet, wird man sie sicherlich gerne wieder im Großherzogtum begrüßen.

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