Terror und Trostpflaster

Vor 100 Jahren war Schluss mit lustig - zumindest für die russische Zarenfamilie. Der Sturz der Romanow-Dynastie in der Februarrevolution 1917 führte zum Ende der Autokratie in Russland.

Mit der Machtübernahme Lenins und der Bolschewiki in der Oktoberrevolution begannen die Revolutionäre mit dem Aufbau des ersten kommunistischen Staates. Im Bürgerkrieg von 1918 bis 1922 bekämpften sich dann mit brutaler Gewalt "Rote" und "Weiße", Befürworter und Gegner der Revolution. Die revolutionäre Periode endete erst am 31. Dezember 1922 mit der Gründung der Sowjetunion und hatte tiefgreifende Umwälzungen für das Land zur Folge. Schöner oder gar besser wurde es allerdings nicht, wie man inzwischen weiß, obwohl die Revolution zunächst einen Aufbruch in allen Bereichen der Gesellschaft bewirkte und zu neuen Formen in Wirtschaft, Bildung und Kultur führte, nationale, politische und soziale Befreiungsbewegungen in Gang setzte und Künstler und Kulturschaffende weit über die Grenzen Russlands hinaus inspirierte. Damit einher gingen von Anfang an jedoch auch politische Gegenbewegungen, Terror und gewaltsame Unterdrückungsmaßnahmen, denen die Revolution letztlich ihren Abschluss verdankt. Diese Entwicklung führte die Gewalterfahrung des Weltkrieges fort und prägte die Menschen in der Region über mehrere Generationen.
Dem 100. Jahrestag des Revolutionsausbruchs widmet das Deutsche Historische Museum in Berlin eine Ausstellung unter dem Titel "1917. Revolution. Russland und Europa" (18. Oktober bis 15. April) und stellt unter anderem die Frage, welche Reaktionen und Gegenreaktionen der politische und gesellschaftliche Umsturz in ausgewählten europäischen und auch außereuropäischen Staaten hervorgerufen hat. Beim Filmfestival im südfranzösischen Cannes hat er in der Regel nicht viel zu melden, der deutsche Spielfilm. Die Teilnehmer sind an zwei, die Palmen-Gewinner (drei!) an einer Hand abzuzählen. Dafür gibt es in Paris gleich ein ganzes Festival, das sich ausschließlich deutschem Filmschaffen widmet. Das liegt weniger daran, dass die französischen Hauptstädter mehr am Kinowerk der östlichen Nachbarn interessiert sind, sondern dass das Goethe-Institut die Federführung hat. Es ist also quasi ein Heimspiel im Ausland, eine Art Trostpflaster für die deutsche Filmseele, die immerhin schon zum 22. Mal auf die wunde Seele geklebt wird. Bis zum 10. Oktober sind die Tage im Cinéma L'Arlequin vollgepackt mit zehn Langfilmen, darunter Matti Geschonneks "In Zeiten des abnehmenden Lichts" über den Niedergang einer Familie vor dem Hintergrund des Mauerfalls oder Andres Veiels Bio-Pic über Jopseh Beuys sowie Kurz-, Dokumentar- und Studentenfilme. Zum Schluss noch ein schockierendes Bekenntnis, und zwar von Schauspielerin Iris Berben. Als junge Frau mit leeren Taschen habe sie im teuren London ab und an mal etwas "mitgehen" lassen. Sie habe gejobbt und gespart, aber es habe vorn und hinten nicht gereicht, gestand sie einer Frauenzeitschrift. Natürlich hat sie nicht irgendwo geklaut, sondern in der Carnaby Street, in den 1960er Jahren eine der angesagtesten Einkaufsstraßen und auch heute noch beliebt bei Einwohnern und vor allem Touristen. Gut, dass bald der Brexit kommt. Mit dem Austritt müssten doch eigentlich auch sämtliche Ansprüche der beklauten Ladenbesitzer gegenüber der Beklagten zunichtewerden, oder? no/dpa

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