Theatergeschichten

Theatergeschichten: In dieser neuen Rubrik blicken wir hinter die Kulissen des Theaters Trier. In unregelmäßigen Abständen erzählen wir künftig Kurioses, Spannendes und Unerwartetes, kleine Randgeschichten und Anekdoten rund um den Theaterbetrieb.

 Auf diesem Foto zur Trierer „Fidelio“-Inszenierung gehen sich tatsächlich die Sängerinnen Bea Robein und Frauke Burg an die Wäsche. Nicht so in einer viel beachteten Duschszene. Foto: Kerstin Michels

Auf diesem Foto zur Trierer „Fidelio“-Inszenierung gehen sich tatsächlich die Sängerinnen Bea Robein und Frauke Burg an die Wäsche. Nicht so in einer viel beachteten Duschszene. Foto: Kerstin Michels

Foto: (g_kultur

Heute: Wer bei "Fidelio" wirklich in der Dusche steckte. Zwei milchige, halb durchsichtige Wände, schwache Badezimmerbeleuchtung, zwei Frauen-Silhouetten und eine eindeutige Sexszene. Mit diesem Bild löste Tilmann Knabe in seiner Inszenierung der Oper "Fidelio" in der laufenden Spielzeit am Theater Trier einiges aus: große Empörung auf der einen Seite, Lob nach dem Motto "endlich modernes Theater" auf der anderen. Sabine Lamberty war weder auf der Seite der Empörten, noch auf der der Erfreuten: Sie befand sich auf der anderen Seite der Glasscheibe. Die 30-jährige Studentin stand zusammen mit einer Kollegin aus der Statisterie in der Dusche. Und stellte für die Sängerinnen besagte Sexszene nach. Dafür braucht es wie im wirklichen Leben auch auf der Bühne ein Vorspiel, wie Lamberty verrät. In ihrem Fall ein Rollenspiel und die passende Verkleidung: das Double-Outfit der Sopranistin Frauke Burg, die in "Fidelio" Marzelline spielte, und dazu eine blonde Perücke. "Eigentlich hätte es sofort auffallen müssen. Immerhin ist Frauke fast zwei Köpfe größer als ich", sagt Lamberty. Sopranistin Frauke Burg ist fast 1,80 Meter groß, Lamberty nur 1,54 Meter. "Das Ganze ist eben auch Schauspiel, eine Illusion. Die Leute rechnen nicht damit, dass die Solistin abgeht und ein Double ihre Stelle einnimmt. Deswegen hat der Trick funktioniert." Die Trierer Empörung über zwei nackte Solistinnen, die sich während des Singens zum Liebesspiel in die Dusche zurückziehen, beruhte demnach auf einem geschickten Schwindel. In jeder Vorstellung schlüpften Frauke Burg und Gesangskollegin Bea Robein vor der Szene in eine Nebenkammer hinter der Duschkabine, wo sie ihre Partien sangen - während es bei den Doubles zur Sache ging. "Wenn man das Ganze von außen betrachtet, ist es definitiv eine krasse Szene. Es wäre auch schlimm, wenn es nicht so wäre, dann hätten wir unseren Job falsch gemacht", sagt Lamberty. Allerdings, verrät sie, sei weit weniger Körperkontakt im Spiel gewesen, als mancher wohl vermutet hat. Dank der recht blickdichten Wände hätten sie und ihre Kollegin einige Berührungen nur andeuten müssen. "Der Regisseur hat uns alle Freiheiten gegeben, die Szene selbst zu entwickeln. So konnten wir auch unsere Grenzen selbst ziehen." Eine Grenze wäre für viele wohl der Gedanke an den Arbeitgeber gewesen, an die Reaktion von Eltern und Bekannten. Für Lamberty kein Thema: "Es besteht ja ein Unterschied zwischen Kunst und Pornografie. Es ist etwas anderes, ob ich mich für den Playboy ablichten lasse, weil ich mich selbst darstellen will, oder ob ich drei Minuten nackt auf der Bühne stehe und eine Rolle spiele." Zudem hätten die Wände der Duschkabine eine "gewisse Privatsphäre" geschaffen. Gleichwohl: Nach der Szene musste als erstes der Bademantel her. Nackt hinter der Bühne zu stehen, wäre dann doch peinlich gewesen. Stefanie Braun

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