Töne, mit denen man nicht rechnet

TRIER. Immer mehr manifestiert sich Trier als ein überaus aktives und viel beachtetes Zentrum der Orgelmusik. Erreicht wird das nicht nur durch eine ganze Anzahl guter bis hervorragender Orgeln, sondern auch durch die enge Zusammenarbeit zwischen Kantor Martin Bambauer und Domorganist Josef Still.

Nachdem sich kürzlich schon die Orgelsachverständigen und Orgelbaumeister aus der ganzen Republik in Trier zu einer Tagung getroffen hatten (der TV berichtete), kam es jetzt mit dem Orgelfe-stival "Principal" zu einem weiteren organologischen Höhepunkt an der Mosel. Eingeladen hatten die Veranstalter Dame Gillian Weir aus London, Ewald Kooiman aus Amsterdam und Jean Guillou aus Paris, drei der bedeutendsten Vertreter der Organistenzunft. Besonders erfreulich war, dass die Besucher nicht nur Spitzenorganisten, sondern auch einen großen Querschnitt aus der gesamten Bandbreite der Orgelliteratur erlebten. Den Auftakt gestaltete Kooiman in St. Paulin mit Kompositionen von Johann Sebastian Bach, für die Kooiman als besonderer Fachmann bekannt ist. Mit der zweiten Sonate in d-Moll von Jan Albert van Eijken und Präludium und Fuge f-Moll von Samuel de Lange jr. hatte er aber auch zwei weitgehend unbekannte Werke romantischer Komponisten seines Heimatlandes mitgebracht. Kooimans Spiel hatte sehr unter den technischen Mängeln der Pauliner Klais-orgel zu leiden. Wären die Mängel in der Stimmung noch hinnehmbar gewesen, so störten die teils nur widerwillig ansprechenden Töne insbesondere der Pedalzungen den Gesamteindruck nachdrücklich.Stilsicherheit und klangliche Brillanz

Guillou, seit nunmehr 40 Jahren Organist an der Pariser Kirche St. Eustache und insbesondere für seine Improvisationskunst weltweit gerühmt, war da mit der Schukeorgel der Konstantinbasilika erheblich besser versorgt. Sein Literaturspiel mit Kompositionen von Bach, Wolfgang Amadeus Mozart und Franz Liszt zeichnete sich, so wie man es von Guillou gewöhnt ist, durch sehr eigenwillige Registrierungen und Tempi aus. Vielleicht nicht jedermanns Sache, aber so kennt man den Meister aus all seinen Konzerten. Faszinierend seine das Konzert beschließende Improvisation über zwei Themen aus dem Zuhörerkreis. In unnachahmlicher Art kombinierte er den Choral "Ein feste Burg ist unser Gott" mit einem freien, von einem Zuhörer aufgeschriebenen Thema in f-Moll. Hier zeigte sich ein Künstler, dem auch nach vier Jahrzehnten die Ideen noch nicht ausgegangen sind, der ein harmonisches Gespür hat, um das ihn viele beneiden. Zweifelsfreier Höhepunkt des dreitägigen Festivals war der Abend mit Dame Gillian an der Domorgel. Sie begann mit Musik von Michelangelo Rossi und aus der Sammlung des Pierre Attaignant aus dem 16. Jahrhundert. Anschließend spannte sie den Bogen bis zum "Hamburger Totentanz" von Guy Bovet, komponiert im Jahre 1970. Neben aller Stilsicherheit und technischer Perfektion war es vor allem die klangliche Brillanz, die Dame Gillians Vorträge zu etwas Außergewöhnlichem machten. Sie zauberte Klänge aus der Domorgel hervor, von denen selbst eingefleischte Kenner dieses Instrumentes gar nicht wussten, dass sie in ihr stecken.

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