Totgesagte leben länger

Manche im Trierer Konzertpublikum werden die Kammermusikalische Vereinigung längst aufgegeben haben. Zu Unrecht. Sie macht unter neuer Leitung weiter und hat für die aktuelle Spielzeit wieder fünf viel versprechende Konzerte im Programm.

Trier. Die "Kammermusikalische Vereinigung" macht weiter. Im neuen, demnächst verbreiteten Saisonprogramm verkündet der scheidende Vereinsvorsitzende Hanspeter Hilgers mit spürbarer Erleichterung die gute Nachricht und stellt zugleich die beiden Nachfolger vor, denen er als Ehrenvorsitzender für eine Übergangszeit weiter zur Seite stehen will.

Tandem an der Spitze löst Ein-Mann-Betrieb ab



Mit dem Trierer Romanistik-Professor Hartmut Köhler kann die Vereinigung jetzt auf einen Vorsitzenden zählen, der als Beteiligter den Härtetest der Lukas-Kindermannschen Antikenfestspiele absolviert hat, und mit dem engagierten Musikkenner und erfahrenen Organisator Franz-Joseph Kleinbauer steht jetzt ein Geschäftsführer zur Verfügung, dessen Beschäftigung bei der ADD der Vereinigung zweifellos nicht zum Nachteil gereichen wird. Auch das Saisonprogramm ist komplett, zwischen dem 22. Oktober und dem 4. März finden erneut fünf Kammerkonzerte statt, unter denen immerhin die Trio-Besetzungen Klarinette, Viola, Klavier (22. Oktober) und Flöte, Violoncello, Klavier (18. Februar) auffallen.

Der phoenixgleiche Wiederaufstieg war nicht unbedingt zu erwarten. Jahrelang schien es, als gehöre die Kammermusikalische Vereinigung Trier, die aus dem traditionsreichen Städtischen Musikverein hervorging und sich mit dem amtierenden Trierer Oberbürgermeister als Präsidenten schmücken kann, zu den kulturellen Auslaufmodellen.

Kammermusik zwischen Haydn und Schönberg



Ein unaufhaltsam ansteigender Altersdurchschnitt, zunehmend Lücken in den Besucherreihen und ein Vorsitzender, der zwar Engagement bekundete, aber auch Amtsmüdigkeit offenbarte, gehören normalerweise zu den Indizien, die die Endphase einer Einrichtung anzeigen.

Hanspeter Hilgers, ehemals Jugendrichter und seit gut 30 Jahren Leiter des Vereins, hatte denn auch in einem Rundschreiben vom Herbst 2007 an alle Abonnenten seiner Skepsis freien Lauf gelassen, den vergangenen 51. Konzertwinter als "letzte Chance bezeichnet" und potenzielle Spender gebeten, ihre Beiträge vorläufig nicht zu überweisen. Die Suche nach geeigneten Nachfolgern erwies sich als schwierig, weil die Vereinigung im Lauf der vergangenen 30 Jahre zu einem Ein-Personen-Unternehmen geschrumpft war, in dem Hilgers multifunktional sämtliche Positionen ausfüllte und weder Bedarf noch Interesse an Mitarbeitern bekundete. Sie wurde zudem unter den möglichen Aspiranten durch die interne Diskussion belastet, ob das Konzept der Vereinigung, das ausschließlich auf ein Traditionspublikum zielt, nicht überholt sei und gänzlich neuer Impulse bedürfe.

Vereinigung kommt ohne öffentliche Finanzierung aus



Wie das Tandem Köhler/Kleinbauer damit umgeht, ist noch offen; das neue Jahresprogramm präsentiert zwar eher jüngere Musiker, bleibt aber fast vollständig im Rahmen der traditionellen Kammermusik zwischen Haydn und Schönberg.

Die "Kammermusikalische Vereinigung" ist gerettet - vorerst jedenfalls. Damit bleibt eine der ganz wenigen Kultureinrichtungen erhalten, die sich trotz hohem, professionellen Niveau nur über die Eintrittsgelder und über "Patronate" finanzieren und den Staat außer den Beleuchtungskosten im Kurfürstlichen Palais mit keinem Cent belasten. Wenn das kein Grund zur Zufriedenheit ist!

Extra

Konzerte der Kammermusikalischen Vereinigung Trier im Kurfürstlichen Palais: 22. Oktober: Trio Apollon (Matthias Glander, Klarinette, Felix Schwartz, Viola, Wolfgang Kühnl, Klavier). Werke von Mendelssohn Enescu, Glinka, Poulenc und Beethoven. 19. November: Wiener Klaviertrio (Wolfgang Redik, Violine, Matthias Gredler, Cello, Stefan Mendl, Klavier). Werke von Haydn, Cerha und Beethoven. 28. Januar: Brentano String Quartet (Mark Steinberg, Serena Canin, Misha Amory, Nina Maria Lee). Werke von Haydn, Schönberg und Schumann. 18. Februar: Trio Wiek (Christina Fassbender, Flöte, Justus Grimm, Cello, Florian Wiek, Klavier). Werke von Haydn, Debussy, Francaix, Poulenc und Weber. 4. März: Daedalus Quartet (Nin-Young Kim, Kyu-Young, Kim, Jessica Thompson, Raman Ramakrishnan). Werke von Haydn, Strawinsky, Horn und Sibelius. Konzertbeginn: 20 Uhr. Vorverkauf im Trierer Musikhaus Kessler (0651/73102). www.kammerkonzerte-trier.de, info@kammerkonzerte-trier.de

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