Trauerarbeit, technisch perfekt

WITTLICH. (gkl) Mit dem Leipziger Streichquartett hatte der Musikkreis Wittlich ein Weltklasseensemble in der Synagoge zu Gast. Die Konzertbesucher erlebten einen Abend, dessen Nachklang noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Im modernen Sprachgebrauch würde man es wahrscheinlich Trauerarbeit nennen. Wut, Verzweiflung, Unverständnis, aber auch Erschöpfung und Ohnmacht sprechen aus fast jedem Takt des Streichquartetts Nr. 6 von Felix Mendelssohn Bartholdy, das er unter dem Eindruck des Todes seiner Schwester Fanny geschrieben hat. Das Opus 80 zeigt einen so ganz anderen Mendelssohn, als man ihn von seinen übrigen Werken kennt. Nichts ist zu spüren von der vornehmen Zurückhaltung, dem edlen, immer vollständig kontrollierten Geist, der mit wohlgesetzten Worten zwar eine deutliche, aber sehr feine Sprache findet. Bis ins tiefste innerste erschüttert klagt der Komponist das Schicksal an, schreit die Ungerechtigkeit über den frühen Tod der geliebten Schwester heraus. Es ist keine leichte Aufgabe für ein Streichquartett, diese Gefühlswelt überzeugend darzustellen. Andreas Seidel, Tilmann Büning (Violine), Ivo Bauer (Viola) und der Cellist Matthias Moosdorf erfüllten die Wittlicher Synagoge mit einem Schmerzensschrei, der keinen Zuhörer im vollbesetzten Raum unberührt lassen konnte. Die vier jungen Sachsen, seit 1993 als Leipziger Streichquartett bekannt, zeigten hier, wie auch vorher in Mozarts Es-Dur Quartett KV 428 und in Beethovens Quartett Nr. 6, wie intensiv sie sich um musikalische Inhalte kümmern. Leisten können sie sich das nur, weil technische Fragen für die Formation überflüssig geworden sind. Hier bilden sie ein perfektes Team, hinterlassen einen runden, mühelosen Eindruck. Ein beeindruckender, erlebnisreicher Abend in der Wittlicher Synagoge mit einem Ensemble der Weltklasse. Es wäre schön, wenn sich der Musikkreis der Stadt Wittlich bei der Gestaltung seiner Programmhefte in Sachen Orthographie diesem Niveau anpassen könnte, damit der Leser nicht so oft stolpern muss.

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