Traumhaft introvertierte Schönheit

Weit über dreihundert Besucher fanden sich ein, als die junge lettische Organistin Iveta Apkalna beim Orgelförderverein St. Marien in Zeltingen-Rachtig gastierte. Sie erlebten ein Konzert, das im Rahmen der kooperierenden Mosel Festwochen ein Höhepunkt war und von dem man in der Pfarrei noch lange sprechen wird.

 Sie bot ihren mehr als 300 Konzertbesuchern ein tiefgründiges und inhaltsreiches Konzert. Die lettische Organistin Iveta Apkalna. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Sie bot ihren mehr als 300 Konzertbesuchern ein tiefgründiges und inhaltsreiches Konzert. Die lettische Organistin Iveta Apkalna. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Zeltingen-Rachtig. "Was ist denn hier los? Schlangen an der Abendkasse zu einem Orgelkonzert? So etwas habe ich ja noch nie erlebt!" Mit staunendem Gesicht nahm ein Besucher aus Köln zur Kenntnis, dass nicht nur er zum Konzert mit Iveta Apkalna in der Pfarrkirche St. Marien in Zeltingen-Rachtig wollte. Der Orgelförderverein hatte, in Kooperation mit den Mosel Festwochen, die junge Künstlerin, die schon mehrfach in der Region aufgetreten ist, eingeladen. Es gab im Vorfeld Bedenken, ob denn der kleine Moselort Rachtig das richtige Umfeld für eine viel gereiste Musikerin ist, die mit den Größen der Welt, demnächst mit den Berliner Philharmonikern und Claudio Abbado, zusammen arbeitet. Die Zweifel waren unnötig und es zahlte sich spätestens jetzt aus, das man bei der Anschaffung der neuen Weimbsorgel auf künstlerische Qualität wert legte und nicht nur ein Instrument für den gottesdienstlichen Gebrauch anschaffte. Die FAZ widmete Iveta Apkalna kürzlich einen großen Bericht, bei dem man sich schon die Augen reiben musste. Dort wurde suggeriert, sie setze für ihren Erfolg mehr ihren Charme und ihre zweifellos vorhandenen weiblichen Reize ein, denn ihr Können, und wurde behauptet: "Apkalna spielt mit dem Publikum." Wer das Konzert in Rachtig miterlebte, musste sich fragen, von wem dort die Rede sei. Über Videoleinwand konnte man eine Organistin sehen, die mit viel Ernst agierte, die sich in den Dienst der Musik stellte und die etwas zu sagen hat. Ihr gut durchdachtes Programm hatte für viele Musikliebhaber etwas zu bieten, und mit der Fantasie über Mozarts Türkischem Marsch von Stanley Weiner oder den Tangos des Schweizer Organisten Guy Bovet kam auch der Spaß nicht zu kurz. Technisch höchst anspruchsvolle Musik

Bei allem Vergnügen aber sollte man nicht vergessen, dass es sich dabei um technisch höchst anspruchsvolle Musik handelt, deren Anforderungen Apkalna mühelos gerecht wurde. Drei Werke aber bildeten die Höhepunkte des Programms. Johann Sebastian Bachs Passacaglia und Fuge c-Moll, BWV 582, zelebrierte sie frei von aller Effekthascherei, ohne oberflächliche Registrierorgie. Spannend war es, was Bach, die Orgel und die Organistin hier zu erzählen hatten. Die Sonate Nr. 3 in A-Dur von Felix Mendelssohn Bartholdy geriet ihr zu einer in endlose Tiefen gehende Andacht, in der das Hauptthema "Aus tiefer Not schrei ich zu Dir" eine demutsvolle Verbeugung vor der Majestät Gottes wurde. Auch die sechs Schüblerschen Choräle von Bach bildeten neben der technischen Meisterleistung, die Apkalna hier vollbrachte, eine beredte Aussage über die Musikerin. Alleine schon der Choral "Meine Seele erhebt den Herren", BWV 648, war von einer traumhaften, introvertierten Schönheit, gespielt mit sanften und doch klaren und ausdruckskräftigen Stimmen. Vielleicht das schönste Werk des Abends. Als Iveta Apkalna den jubelnden Schlussapplaus an das Rachtiger Instrument weiter gab, war das mehr als nur eine Geste. Es war die Bestätigung, dass man in Rachtig mit dieser Orgel eine gute Wahl getroffen hat, dass Rachtig hier in der kulturellen Oberliga mitspielen kann.

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