Traumland Italien

TRIER. Mit Literatur rund um das Thema Italien befasste sich eine Veranstaltung des Eifeler Literatur Festivals und des SWR im Spiegelzelt der Landesgartenschau. Sie wurde vom Sender aufgezeichnet.

Keine Reiseerfahrung ohne Fantasie. Joachim C. Fest brachte es auf den Punkt: Nur durch den traditionellen Bildungshintergrund mit seiner Mischung aus Reflexion und Vorstellungskraft gewinnen die Reste vergangener Kulturen für den Beobachter Aussagekraft, werden Trümmer zu Zeugen großer Zeiten und großer Menschen. Ein Grund für die Faszination, die Italien für Deutsche ausübt. Das Land zwischen Alpen und Mittelmeer ist für die Menschen nördlich der Alpen ein immerwährender Traum - von Sonne, südländischer Lebensart, vor allem von Geschichte und Kultur. Martin Lüdke, der die Veranstaltung gemeinsam mit Maike Albarth moderiert, erhob es sogar literarisch-kühn zur "Zwischenstation auf dem Weg nach Arkadien". Die ersten beiden Lesungen variierten diese These, ohne ihr zu widersprechen. Eine Bettelei, stilisiert und mit Kunstanspruch, die "Kultur des Verbrechens" und ein Beispiel für das italienische System weit verzweigter Beziehungen: Joachim C. Fests Buch "Im Gegenlicht" beeindruckt mit perfekten Synthesen aus sensibler Beobachtung und präzisem Nachdenken. Uwe Timm, der zweite lesende Autor an diesem Abend, ging das Thema anders an, und doch ebenfalls sehr deutsch. Die "Römischen Aufzeichnungen" reihen brillante Momentaufnahmen vom Italien zu Beginn der 1980er Jahre anein-ander. Unter ihnen gehört der Versuch, ein Bankkonto zu eröffnen, zweifellos zu den markante-sten Begebenheiten. Details, Eindrücke, Reflexionen: Bei Fest wie bei Timm sind es Spiegelsplitter vom südländischen Traum. Da schwingt eine weise lächelnde Distanz mit: So sympathisch-kurios ist also Italien. Bildungsgewissheiten und kultureller Abstand schieben sich wie ein Puffer zwischen die Lebenswirklichkeit des Landes und die Erfahrungen der Zugereisten. Irgenwann geraten literarische Vision und Tatsachen dann doch in Konflikt. Joachim C. Fest diagnostizierte, ganz konservativ-pessimistisch, ein "Land, das sich aufgibt", monierte die Verschandelungen von Landschaft und Kultur und erklärte sein "Gegenlicht" zum "Buch des Abschieds". Jedenfalls ist es ein Abschied des deutschen Traums von der italienischen Realität. Gut, dass die Veranstalter noch einen Einheimischen eingeladen hatten. Rechtsprofessor, Politiker und Mafia-Bekämpfer Leoluca Orlando brachte die deutsche Italien-Sehnsucht rasch auf den Boden des lokalen Alltags. Der ehemalige Bürgermeister von Palermo und Autor des Buchs "Sizilianische Karren" machte klar, worauf sich die Mafia aller Länder stützt: auf die Besetzung positiver Begriffe. In Sizilien sind das Ehre, Familie, Gemeinschaft. In anderen Ländern mögen das Religion und Geld sein. Aber: "Änderung ist möglich, und wir haben gewonnen." Abends trauen sich die Bürger von Palermo wieder auf die Straßen der Stadt. Das ist Einheimischen wahrscheinlich wichtiger als manches Kulturgut. Joachim C. Fest, Im Gegenlicht, Rowohlt Verlag, 22,90 Euro Uwe Timm, Römische Aufzeichnungen, Deutscher Taschenbuch Verlag, 8 Euro Leoluca Orlando, Sizilianische Karren, Ammann Verlag, 18.90 Euro Die Veranstaltung wird ausgestrahlt am Sonntag, 18. Juli, 12.30 Uhr, im Fernsehprogramm Südwest 3 und am Montag, 15. August, 10.20 Uhr, in 3sat.

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