Triumph im Tempel der Oper

NEW YORK. Mit 66 Jahren auf dem Gipfel der Karriere: Franz Grundheber war noch nie so gefragt wie heute. Gerade hat er im Londoner Covent Garden "Simone Boccanegra" mit Angela Georghiu gesungen, im Sommer wartet Salzburg mit dem "Rosenkavalier". Und dieser Tage bejubelt New York seinen "Rigoletto" in der Met.

Ein ganz normaler Repertoire-Abend im berühmtesten Opernhaus der Welt. Die Inszenierung ist steinalt, ein "Rigoletto" wie aus den Fünfziger Jahren. Die viereinhalb tausend Besucher in dem monströsen Bau sind typisches Met-Publikum: Mit Mänteln, Schirmen, teilweise sogar Rucksäcken belagern sie ihre Plätze, manche kommen zu spät, andere gehen dafür früher oder bleiben während des zweiten Akts beim feudalen Abendessen im Foyer. Fehlt nur noch Popcorn, und man würde sich fast fühlen wie im Kino. Aber eben nur fast. Denn die Metropolitan Opera leistet sich den Luxus, einfach die besten Stimmen der Welt einzuladen. Pavarotti, Ramey, Hampson, Mattila, Fleming: Nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Star-Angebot einer guten März-Woche. Für den "Herzog" in Rigoletto holt man Ramon Vargas, einen Mexikaner, der seit Jahren als heißer Anwärter auf die Nachfolge der "Großen Drei" am Tenorhimmel gilt. Die Met kann sich aussuchen, wen sie ruft. Und da bedeutet es schon einiges, dass sie Franz Grundheber für die Titelrolle bei Rigoletto engagiert hat, schon zur zweiten Aufführungsserie nach 1999. Auch als "Wozzeck" haben sie ihn in den Tempel des Musiktheaters geholt, eine Rolle, in der er weltweit Maßstäbe gesetzt hat. Dass er schwierige Partien auch noch mit 66 singen kann, ohne dass die geringsten Spuren des Alters in seiner Stimme hörbar sind, hat schon etwas von einem Wunder. Die patinierte New Yorker Rigoletto-Inszenierung bietet wenig Charakterisierungsschärfe. Aber Grundheber wäre nicht Grundheber, würde er seine Rolle wie die Kollegen routiniert herunterspulen. Vom ersten Moment an, wenn der bucklige Hofnarr, zutiefst einsam inmitten der höfischen Gesellschaft, seine zynischen Spaß-Rituale zelebriert, macht er einen Menschen sichtbar. Grundheber spielt einen Außenseiter, der einen Außenseiter spielt. Kaum ist er zu Hause, bei seiner überbehüteten Tochter Gilda, läuft er plötzlich fast normal, kaschiert den mächtigen Buckel. Keine Spur mehr vom Mitleid erregenden Behinderten. An diesem Abend in der Met hat der Bariton Glück. Am Pult steht mit Marco Armiliato ein junger Kapellmeister, der mitspielt und versteht. Wenn Rigoletto, in höchster Angst um die entführte Tochter, mitten in der Gesangsphrase die Hand gegen einen Höfling erhebt, stockt für eine Sekunde auch die Musik. Es gibt viele solche filigranen Feinheiten; ob das breite Met-Publikum sie überhaupt registriert, ist zweifelhaft. Man klatscht freundlich Beifall am Ende, Bravo-Rufe für Grundheber und seine beiden Hauptrollen-Mitstreiter, aber nach einer Minute strömt alles Richtung Tür. "That's the Met", sagen New Yorker Opernfreunde. Und trotzdem ist Franz Grundheber gerne hier, seit er 1967 in einer winzigen Nebenrolle bei einem Gastspiel der Hamburger Staatsoper erstmals Met-Luft schnupperte. Nun sitzt er in seinem Appartement im 45. Stock eines Wolkenkratzers mit atemberaubenden Blick auf den Central Park, und rezitiert nach kurzem Nachdenken noch seinen damaligen Text. Es werde wohl sein letztes Gastspiel an der legendären Opernbühne sein, sinniert er. Für die näch-sten Jahre ist er ausgebucht. Die Met terminiert zurzeit für 2008. "Dann bin ich 70, das werden die wohl kaum riskieren". Aber Salzburg und London, Berlin und Wien, Chicago und Tokio haben sich seine Dienste längst gesichert. Nicht zu vergessen die drei (restlos ausverkauften) Toscas Ende Mai in Trier, ein Heimspiel, auf das er sich freut.Noch ein "Trierer" Met-Debütant

Franz Grundheber ist übrigens nicht die einzige aktuelle Verbindung zwischen Trier und der Met. In Wagners Rheingold debütiert wenige Tage später Gerhard Siegel, der Mitte der Neunziger zum Trierer Ensemble gehörte und nicht nur mit seiner Vertonung von Heines "Wintermärchen" in guter Erinnerung geblieben ist. Der Tenor hat eine sensationelle Karriere gemacht; nach der Premiere wird ihm die New York Times ein "very impressive Met-Debut" attestieren. Vielleicht nimmt sich Grundheber Zeit, eine Vorstellung des Kollegen zu besuchen. Seine Rigoletto-Serie geht immerhin noch bis zum 9. April.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort