Trotz Größe nicht groß genug

TRIER. Wegen der Fußballweltmeisterschaft gingen die Internationalen Orgeltage im Trierer Dom zwei Wochen früher an den Start. Einen geglückten Auftakt gestaltete Domorganist Josef Still mit einem Konzert, das er den Engeln widmete.

Es sind merkwürdige Wesen, die im Mittelpunkt des ersten Konzertes der Internationalen Orgeltage im Trierer Dom standen. Auf Engel hatte Domorganist Josef Still, der traditionell die Reihe eröffnet, den Fokus gerichtet. Die Erscheinungsformen, mit denen Engel sowohl in der Literatur als auch in der Musik auftreten, sind äußerst vielfältig. Von liebevollen Beschützern vor aller Unbill bis hin zum kämpfenden Wächter, der dem Bösen den Garaus macht, sind sie vertreten. Entsprechend breit war auch Stills Konzertprogramm gefächert. Überwiegend waren es jedoch die sanften Himmelswesen, die er charakterisierte und dabei dem zahlreichen Publikum die ungeheure Klangvielfalt der Domorgel präsentierte. Einschmiegen wollte man sich am liebsten in das zauberhafte und von warmen Farben geprägte "In Paradisum" des französischen Meisters Theodor Dubois. Mit sanftem Streicherklang artikulierte Still die Bitte, dass Engel die Seele des Verstorbenen ins Paradies geleiten möge. Ebenso sanft ließ er den Gruß des Engels an die Gottesmutter "Saluto angelico" aus Sigfrid Karg-Elerts Komposition Kathedralfenster, Opus 106, erklingen. Behutsam näherte sich hier der Gottesbote der Gottesmutter. Waren diese Werke dem Geist der Romantik verhaftet, so unternahm Still mit Heinrich Scheidemanns Orgelbearbeitung der Hasslermotette "Dixit Maria ad Angelum" auch einen Ausflug in die Frühzeit der Musik. Technisch sehr sauber interpretiert, machte die Akustik des Domes aber leider die Inhalte nur sehr mühsam durchhörbar. Am Anfang des Abends stand das Engelkonzert aus Paul Hindemiths Symphonie "Mathis der Maler", das vom Trierer Kirchenmusiker und Pädagogen Ulrich Krupp für die Orgel eingerichtet wurde. Wenngleich das Werk reizvoll und vielschichtig den Dom erfüllte, stellte sich die Frage, in wieweit es sinnvoll ist, große Orchesterwerke auf das Tasteninstrument zu übertragen. Gleiches galt auch für die Engelszene aus der Oper "Hänsel und Gretel" von Engelbert Humperdinck, die Edwin Lemare für die Orgel bearbeitet hat. An das Ende hatte Still "L'Ange a la Trompette" des französischen Zeitgenossen Jâcques Georges Paul Charpentier gesetzt, ein Prelude für eine große Orgel. Auch hier, wie schon während des ganzen Konzertes, glänzte Still mit überragender Technik, brillanter Virtuosität und großer Stilsicherheit. Trotzdem blieb derTrompeten-Engel hinter den kompositorischen Anforderungen zurück, da die Orgel zwar groß ist, ihr für dieses Werk allerdings die klanglich überragende Strahlkraft der horizontalen Zungen fehlt. Hier konnte sich das Himmelswesen nicht über den Gesamtklang erheben. Trotzdem war es ein gelungener Abend.

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