Umjubelte Grundheber-Gala

Zweimal dasselbe Stück, zweimal dieselbe Produktion, zweimal dieselbe Regie - und doch zwei völlig unterschiedliche Auffassungen von derselben Rolle: Dieses Erlebnis bescherte dem Trierer Publikum die erste Gala-Vorstellung von Alban Bergs Oper "Wozzeck", bei der Regisseur Franz Grundheber, anders als in der Premiere, die Titelrolle übernahm.

 Franz Grundheber begeistert als Wozzeck, hier mit Vera Wenkert. Foto: Friedemann Vetter

Franz Grundheber begeistert als Wozzeck, hier mit Vera Wenkert. Foto: Friedemann Vetter

Trier. Was für ein Magier des Wortes ist dieser Franz Grundheber. Wenn er von "Wind" singt, dann kann man die Böen mithören. Wenn er "Gott im Himmel" beschwört, dann scheint der mächtige Ausbruch tatsächlich in die Hemisphäre zu dringen. Jeder Buchstabe erhält Bedeutung, jede Silbe hat Gewicht. Noch die winzigste Nuance des Singens wird genutzt, um Inhalte zu transportieren. Und die Stimme wirkt unverändert unerschöpflich in ihren Möglichkeiten und Spielräumen. Das Publikum lauscht gebannt, atemlos vor Spannung und Mitgefühl.Aber in Grundhebers Wozzeck der packenden Gesten steckt auch das große, fast expressionistische Pathos des Leidens. Und damit das Risiko, mit der Figur so überlebensgroß zu werden, dass sie das Geschehen dominiert.Begeisterungsstürme beim Publikum

Johannes M. Kösters, der in der "normalen" Aufführungsserie unter Grundhebers Regie den Wozzeck verkörpert, ist das personifizierte Gegenbild: ein stiller, zurückhaltender, fast schüchterner Mann, dessen Leiden alltäglicher, aber dafür nicht weniger überzeugend daherkommt. Der große Kritiker Alfred Kerr hat über Büchners literarische Figur "Woyzeck" einst geschrieben, er sei "ein Behandelter - nicht ein Handelnder". Die eigentliche Dramengestalt sei nicht der Titelheld, "sondern seine Umwelt". Dieser Idee kommt Kösters fraglos näher. Er zwingt zum Nachdenken, Analysieren. Grundheber bewegt die mächtigeren Gefühlswelten.Das Trierer Publikum genießt den Luxus, beide hoch spannende Interpretationsansätze erleben zu können. Die Grundheber-Gala wurde genau so begeistert bejubelt wie die Premiere. Neben den Ovationen für Franz Grundheber konnten auch Vera Wenkert und Peter Koppelmann, Melina Boden (Wozzecks und Maries Kind) sowie Dirigent István Dénes und seine Philharmoniker in Bravo-Rufen baden. Die zweite Grundheber-Gala am Samstag ist ausverkauft. Weitere Termine: 12., 16., 25. und 29. Mai. Kartentelefon: 0651/7181818.

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