Unser Mann im All

Er gilt als Vorbild der Beatles und der Rolling Stones: Legende Chuck Berry will auch mit 81 Jahren nicht ohne seinen Rock'n'Roll leben. Das zeigte er in der nur mäßig gefüllten Rockhal Esch/Alzette.

 Rock'n'Roll - das ist Chuck Berrys Leben. TV-Foto: Hans Krämer

Rock'n'Roll - das ist Chuck Berrys Leben. TV-Foto: Hans Krämer

Esch/Alzette. Sie haben noch ein bisschen Zeit. Fast 500 Millionen Jahre, genau genommen. Sie - das sind die da draußen, die im All. Wenn es dort Leben gibt, irgendwo, wird mit ein bisschen Glück jemand auf die "Sounds of Earth"-Sammlung stoßen. Das ist eine goldene Datenscheibe, die seit drei Jahrzehnten an der Raumsonde Voyager durchs Universum schwirrt und die eine halbe Ewigkeit halten soll. Zeugnis der Kultur auf der Erde. Kompositionen von Mozart und Bach sind darauf. Und Chuck Berrys "Johnny B. Goode".Mozart und Bach sind lange tot. Auch vor dem Chuck-Berry-Konzert fragte mancher Kollege, ob das nicht ein "Tribute" sei. Ein Imitator, ein Erinnerer. An die goldenen Rock'n'Roll-Zeiten, die ein läppisches halbes Jahrhundert zurückliegen. Jahre, in denen Berry und wenige andere es schafften, die Gesellschaft gründlich umzukrempeln. Berry - tot? Die Kollegen wissen nicht, wie falsch sie liegen.

Chuck Berry auf der Bühne in Esch: Er trägt Pailettenhemd und weiße Kapitänsmütze, hat die rote Gibson umgeschnallt. Aus der Familie begleiten ihn Tochter Ingrid (Gesang/Mundharmonika) und Sohn Charles (Gitarre). Aber das Rampenlicht gehört ihm, allein dem 81-Jährigen, dessen geschmeidige Bewegungen sein Alter verneinen. Gleich mit dem ersten Gitarrenriff von "Roll over Beethoven". Auch "Johnny B. Goode", die kurze Revoluzzer-Hymne mit dem langen Nachhall, spielt er schon früh.

Chuck Berry braucht nicht die großen Gesten. Hier mal ein kleiner Hüftschwung, dort mal ein zarter Ansatz seines legendären Watschelgangs ("Duckwalk"). Für seine letzten Stücke bittet Berry ein Dutzend Frauen aus dem Publikum zum Tanzen auf die Bühne. Berry genießt das. Die Küsschen, den Beifall, das Hiersein. Erklären muss sich der Rock'n'Roller, ohne den es die Beatles nach deren Auskunft "nie gegeben hätte", niemandem. Dass Berry auf dem Griffbrett seiner Gitarre schon mal am richtigen Akkord vorbeirutscht - was soll's. Der Rock'n'Roll schöpfte seine Macht nie aus schierer Virtuosität. Auch, dass er keine Zugabe gibt, mag man ihm gern nachsehen - einem Mann, "dem die Welt nicht wenig von ihrem Glück verdankt", wie die "Süddeutsche Zeitung" schrieb. Fürs Jetzt und die Zukunftsmusik. Vielleicht wird Berry der einzige Zeitgenosse sein, dessen Lied noch zu hören sein wird, jenseits der Menschen.

Schnell-Check

Chuck Berry (Rock'n'Roll) Ort: Rockhal Esch/Alzette (großer Saal) Zuschauer: 900 Kartenpreis: ab 53 Euro (Sitzplatz) Show: 60 Minuten Fazit: Legenden haben ihren Preis (AF)

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