Unter deutschen Dächern

BERLIN. Häufig ist Schauspieler Moritz Bleibtreu mit an Bord, wenn ein deutscher Film Furore macht. Die Hauptrollen in "Knockin' On Heaven's Door", "Lola rennt" oder "Das Experiment" sind nur einige Beispiele für Bleibtreus sichere Hand bei der Auswahl von Stoffen. Der Sohn der renommierten Darstellerin Monica Bleibtreu erzählt über Oskar Roehlers neuen Film "Agnes und seine Brüder".

Herr Bleibtreu, wie haben Sie und Oskar Roehler zusammengefunden?Bleibtreu: Durch das Drehbuch. Oskar hatte mir schon vorher Bücher zukommen lassen, aber ich habe mich mit seinen Geschichten immer ein bisschen schwer getan. Ich hatte zwar wahnsinnigen Respekt vor Oskar, weil hier endlich mal einer war, der etwas will und etwas zu erzählen hat. Mussten Sie sich dazu überwinden, den sexsüchtigen Hans-Jörg zu spielen?Bleibtreu: In diesem Fall war die Überwindung nicht so wahnsinnig groß. Da habe ich mich schwerer getan, zum ersten Mal einen Mann zu küssen - das hat Überwindung gekostet, iiih! Es gibt schon Sachen, die zu spielen man sich echt durchringen muss, aber hier war das nicht der Fall. Natürlich ist es nicht toll, den ganzen Drehtag mit Masturbieren zu verbringen, dass wird auf die Dauer langweilig. Fragen Sie beim Regisseur nach, wie die Darstellung erfolgen soll, wenn im Drehbuch von einer Masturbationsszene die Rede ist?Bleibtreu: Auf jeden Fall. Als ich mich zum ersten Mal mit Oskar getroffen habe und wir über diese Sache redeten, habe ich zum Ausdruck gebracht, wie wichtig mir eine geschmackvolle Darstellung ist. Umso härter ich inhaltlich bin, umso näher ich mich an die Grenzen dessen wage, was für "normale Menschen" zumutbar ist, umso mehr muss ich mich anstrengen, dass ich sie nicht verliere. Man erreicht ganz schnell einen Punkt, an dem man sagt: "Nee, tu das weg, das bin ich nicht, das will ich nicht sein. Tu das weg, Tschüss!" Diesen Punkt kenne ich absolut. Ich nehme gern den Film "Kids" als Beispiel. Er ist toll gespielt, großartig inszeniert, aber ich will so etwas nicht sehen. Da ist keine Hoffnung, keine Liebe mehr. Alle meine Filme eint die Tatsache, dass es immer irgendwo Hoffnung gibt und eine Zubewegung auf Menschen stattfindet. Wenn man auf Roehlers Filme blickt, dann gewinnt man den Eindruck, "Agnes" markiert den Start in eine zugänglichere Periode.Bleibtreu: Das glaube ich auch. Es kommt mir so vor, als hätte er bisher Filme gemacht, weil er sie machen musste - nämlich für sich. Und jetzt macht er Filme für ein größeres Publikum. Okay, ganz so plakativ kann man es eigentlich nicht sagen, aber es ist schon etwas dran. Oskars bisherigen Filmen merkt man das Bedürfnis an, dass er diese Geschichten einfach erzählen musste, unabhängig davon, wer sie sich anschaut. Diesmal ist ihm eine Erzählstruktur gelungen, die echtes Kino ist, mit einem Anfang, einer Mitte, einem Ende. Aber die Themen sind wieder die gleichen: sexuelle Obsessionen, fehlende Mutterliebe…Bleibtreu: Jeder gute Regisseur macht nur ein und denselben Film, immer und immer wieder und immer anders. Mit Moritz Bleibtreu sprach unser Mitarbeiter André Wesche

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