Unterkühlte Allerweltsweisheiten

TRIER. Auf den Spuren Nicolo Macchiavellis: Peter O. Chotjewitz las aus seinem neuen Roman im Spiegelzelt der Landesgartenschau in Trier.

Wer's noch nicht wusste: Lesen ist ein Allwettersport. Draußen heulte der Wind. Drinnen klapperten die Zuhörer mit den Zähnen. Allerseelenwetter war angesagt im kalten Spiegelzelt der Landesgartenschau. Nur wenige Interessenten hatten sich an diesem Nachmittag auf dem Petrisberg eingefunden, um Peter O. Chotjewitz zu hören. Frierend und ein wenig verloren saßen die Fans des Erfolgsautors in ihren Stuhlreihen. Wer sich auf Vorsehung verstand, hatte sich vorab einen heißen Kaffee oder Tee gekauft, um innerlich gewärmt die vor-auseilende "Fürsorge" des Zeltbetreibers zu überstehen. Der hatte, "um Lärm zu vermeiden", vor der Lesung kurzerhand die Heizung abgestellt. Mochten auch die Hörer zittern, Alt-68er Chotjewitz ließ sich von solchen Kleinigkeiten nicht erschüttern. Was Wunder - der Mann hat anderes hinter sich gebracht. Und zu Zeiten seines Macchiavelli-Romans, aus dem er las, gab es sowieso noch keine Zentralheizung. Graugelockt und in feines Tuch geknöpft saß Chotjewitz oben an seinem Tisch, um den Hals die unvermeidliche Fliege. Wie eine gepflegte Mischung aus Seniorpartner und Künstler wirkte der 70-Jährige, der seinerzeit als Malerlehrling anfing, als Anwalt von Andreas Bader für Turbulenzen sorgte und schließlich als Schriftsteller zu - wenn auch widersprüchlichem - Ruhm kam. An so manches Thema hat sich der Autor inzwischen gewagt, geblieben ist er im Wesen immer ein Erzähler. Das bleibt er auch in seinem neusten Roman "Machiavellis letzter Brief". Die Idee ist spannend. Im Auftrag seines Herzogs August von Braunschweig-Wolfenbüttel reist der junge Dichter Christian Weise 1664 nach Florenz, um hinterlassene Schriften des Philosophen-Diplomaten Nicolo Machiavelli zu kaufen. Seit seiner Schulzeit habe ihn der Macht-Theoretiker fasziniert, gesteht Chotjewitz. Fast 20 Jahre Zeit hat er sich für die Recherche genommen. Herausgekommen ist eine detailfreudige Geschichte, die dennoch die Chance vertan hat, ein großes Werk zu werden. Ein bisschen banal wirkt Macchiavelli, der bei der Lesung in Trier mit Hilfe von Chotjewitz' angenehmer Stimme zu Wort kam. Und auch der Witz der abenteuerlich skurrilen Geschichte hat vielfach etwas von jener "teutschen" Biederkeit und Bodenschwere, die Machiavellis Urenkelin für eine nationale Befindlichkeit hält. Chotjewitz hat sicher nicht die stärksten Passagen des Buches gelesen. Als Ganzes gesehen, ist es sicher mehr als jene Folge von Allerweltsweisheiten, für die der größte Teil der Trierer Leseproben gelten kann. Das letzte Wort wurde im Spiegelzelt allerdings wohl nicht gesprochen. Chotjewitz Vortrag macht Lust, sich das ganze Buch und den ganzen Machiavelli vorzunehmen. Wie meinte freilich resignierend der Autor: "Meistens kriegen die falschen Leute das Buch in die Hand." Der nächste Termin des Eifel Literatur Festivals: Ralph Giordano, 29. Oktober, 20 Uhr, Karolingerhalle, Prüm.

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