Unterm Strich - Die Kulturwoche

Er ist noch nicht tot. Der Schriftsteller Hans Fallala starb 1947, krank, elend, als Alkoholiker.

Und geriet danach fast in Vergessenheit. Dabei hatte er in seinen letzten Jahren mit "Jeder stirbt für sich allein" noch ein bewegendes Stück Zeitgeschichte geschrieben. In dem erschütternden Roman schilderte Fallada den authentischen Fall des Ehepaars Otto und Elise Hampel, die Postkarten-Flugblätter gegen Hitler auslegen und denunziert werden. Einfache Leute. Aufrechte. Es dauerte bis zum Jahr 2011, bis dieser Roman wiederaufgelegt wurde. Und dann ein Erfolg wurde! Heute wird der Dichter, der bürgerlich Rudolf Ditzen hieß, zu den wichtigsten sozialkritischen Autoren seiner Zeit gezählt. In Carwitz in Mecklenburg-Vorpommern, wo auch das Grab des Schriftstellers liegt sowie ein Museum sich um dessen Erbe kümmert, finden gerade die Hans-Fallada-Tage statt - bereits zum 26. Mal. Dabei wird auch die Neuausgabe von "Kleiner Mann - was nun" vorgestellt, das bekannteste Buch des Autors, wie Museumsleiter Stefan Knüppel erklärte. Die Neuausgabe sei um rund 100 Seiten und damit etwa ein Drittel umfangreicher als alle bisherigen Ausgaben. Das weltweit erfolgreiche Werk handelt vom sozialen Abstieg eines Angestellten am Ende der Weimarer Republik. Die Politik hat den Kulturbetrieb diese Woche gleich mehrfach aufgemischt. Nach dem Anschlag in Nizza wurde in den französischen Kinos der Actionthriller "Bastille Day" über einen Terroranschlag in Paris abgesetzt. Der Film war zuvor erst an vier Tagen in den Sälen des Landes gelaufen. In dem Thriller spielt Idris Elba einen CIA-Agenten, der Paris vor weiteren Bombenanschlägen schützen soll. Das französische Filmplakat trug pikanterweise den Satz "Dieses Jahr sind sie das Feuerwerk" im Titel, der Verleiher zog es zurück. Deer Attentäter war mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge gerast, die dort zuvor das Feuerwerk zum Nationalfeiertag verfolgt hatte. In der Türkei unterbrach das Welterbekomitee seine Sitzung, bei der über neue Weltkulturerbestätten entschieden werden sollte. Denn nach dem Putschversuch gab es auf den Straßen Istanbuls heftige Kämpfe. Unesco-Sprecher George Papagiannis ließ zunächst offen, wann über die Häuser der Stuttgarter Weissenhofsiedlung des Stararchitekten Le Corbusier entschieden werde. Für Stuttgart ging es dann doch noch gut aus - zum Glück. In Deutschland wurde derweil das vorzeitige Ende einer Ausstellung verkündet, weil Leihgeber aus Protest gegen das Kulturgutschutzgesetz ihre Werke zurückforderten. Das Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum erklärte, dass die bis zum 8. Januar geplante Schau "Schätze für den Kaiser - Meisterwerke chinesischer Kunst (1368-1911)" vorzeitig am 25. Juli beendet werde, da Sammler kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes Anfang August ihre Leihgaben zurückziehen. Da jedoch die zurückgezogenen Leihgaben aus zwei Privatsammlungen rund 90 Prozent der Ausstellung ausmachten, sei ein vorzeitiges Ende unvermeidbar. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) schaltete sich ein. Erst nach einigem Hin und Her wurde dann gestern verkündet, die Sonderausstellung werde nun doch nicht vorzeitig beendet. Vorausgegangen war eine Klarstellung durch die niedersächsische Kulturminister Frauke Heiligenstadt (SPD) und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Danach fallen die Leihgaben nicht unter den Anwendungsbereich des jüngst verabschiedeten und viel kritisierten Kulturgutschutzgesetzes. Vor mehr als zwei Jahren war die Aufregung groß, als die umstrittene Sammlung von Cornelius Gurlitt entdeckt wurde. Was davon ist Nazi-Raubkunst? Inzwischen ist klar: Fast 100 Bilder haben Experten mehr oder weniger sicher als Raubkunst identifiziert. Wie das Projekt "Provenienzrecherche Gurlitt" in Berlin mitteilte, gehöre Kunst von Henri de Toulouse-Lautrec, Max Liebermann, Edvard Munch und eine Rembrandt-Grafik zu den verdächtigen Werken. Das Expertenteam hatte in einem halben Jahr mehr als 500 Werke aus der umstrittenen Sammlung untersucht - und in 91 Fällen einen Raubkunst-Verdacht erhärtet. Zuvor hatte die Taskforce "Schwabinger Kunstfund" binnen eines Jahres elf Fälle lückenlos geklärt; bei fünf Werken hatte sie dabei eindeutig NS-Unrecht nachgewiesen. Damit wären bislang insgesamt 96 Bilder der Sammlung als mutmaßliche oder tatsächliche Raubkunst eingeordnet. Das Projekt "Provenienzrecherche Gurlitt" kümmert sich seit dem Jahreswechsel um die Kunstsammlung des 2014 gestorbenen Gurlitt. Von den 680 Werken, deren Herkunft die "Taskforce" nicht abschließend klären konnte, haben die Experten des Projekts bislang 502 Werke untersucht. Seine millionenschwere Sammlung hatte Gurlitt in seinem Testament dem Kunstmuseum Bern vermacht, das bis zum heutigen Tag allerdings noch kein einziges Bild bekommen hat. Grund ist ein langwieriger Rechtsstreit, den Gurlitts Cousine Uta Werner angestrengt hat. dpa/aheu

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