Vergangenes für die Zukunft

RECKLINGHAUSEN/LUXEMBURG. In der Lessing-Stadt Wolfenbüttel stellte Frank Hoffmann das Programm der Ruhrfestspiele Recklinghausen vor. Der Intendant des Luxemburger Nationaltheaters (TNL) ist für Frank Ca-storf nachgerückt, dessen Vertrag vorzeitig beendet wurde.

Gleich zwei Leitsprüche hat der frisch gekürte Leiter der Ruhrfestspiele über seine erste Spielzeit gesetzt: "Ich nehme die Vergangenheit mit in die Zukunft", ist Frank Hoffmanns eigenes Motto. Das andere hat er am Schluss des Romans "Der große Gatsby" von Francis Scott Fitzgerald gefunden: "So regen wir die Ruder, stemmen uns gegen den Strom und treiben doch stetig zurück, dem Vergangenen zu."Ein Festspielprogramm von Null auf Hundert

Nachdem Frank Castorf mit seinem Programm im vergangenen Jahr für einen beträchtlichen Besucherschwund gesorgt hat, setzt sein Nachfolger auf Nummer sicher mit einer soliden Mischung aus Klassikern, solchen der Moderne und Unterhaltung, wobei er mit großen Schauspielern und Regisseuren auftrumpfen kann. Dabei hat er fast Unmögliches vollbracht: Innerhalb von gerade zweieinhalb Monaten hat er das Festspielprogramm von Null auf Hundert gefahren. Da sein Vorgänger Castorf noch nicht mit den Planungen für die neueste Ausgabe der Festspiele begonnen hatte, musste der Luxemburger Gastarbeiter rund 20 Produktionen sozusagen aus dem Ärmel schütteln. Eine vertrackte Aufgabe, wenn man bedenkt, in welchen Zeiträumen die Theater ihre Terminkalender festzurren. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das Recht des ersten Abends lässt er sich dabei natürlich nicht nehmen. Hoffmann gibt seinen Einstand mit Lessings Lustspiel "Minna von Barnhelm" (unter anderem mit Franziska Walser, Ulrich Gebauer und David Bennent). Und gleich noch drei Mal kommt der Aufklärer Lessing zu Wort und Ehren: Michael Thalheimer hat am Deutschen Theater Berlin "Emilia Galotti" inszeniert; Claus Peymann und George Tabori reisen mit "Nathan der Weise" und "Die Juden" ins Revier. Beide Stücke sind Produktionen des Berliner Theaters am Schiffbauerdamm. Frankreichs Film-Ikone Isabelle Huppert ist als "Hedda Gabler" zu sehen. Ibsens Schauspiel hat Eric Lacascade am Pariser Odéon-Theater inszeniert. Aus Hamburg kommt ein moderner Klassiker der Selbstzerfleischung mit Topp-Besetzung: In "Wer hat Angst vor Virginia Wolf?" gehen Hannelore Hoger und Gerd Böckmann aufeinander los und durch die Ehehölle. Bei der Produktion vom St. Pauli-Theater aus Hamburg führt Wilfried Minks Regie. Aus Luxemburg bringt Hoffmann seine "Hamlet"-Inszenierung mit Thierry van Werveke und die Kinderoper "Papageno spielt auf der Zauberflöte" (Regie: Jacqueline Posyng-van Dyck) mit. In Solo-Abenden treten Heinz Bennent ("Ich bin der Mann meiner Frau" nach Texten von Tschechow) und Angela Winkler (mit einem "Überraschungsprogramm") auf. Produktionen von den Fringe-Festivals in Prag und Edinburg ergänzen das Programm ebenso wie ein Open-air-Konzert mit den Prinzen, eine Zirkusvorstellung aus Kanada, ein Kabarettfestival und ein Hiphop-Abend. Eröffnet werden die Ruhrfestspiele, die bis zum 12. Juni dauern, traditionell am 1. Mai mit dem Kulturvolksfest. Wird auch das TNL von Hoffmanns neuer Aufgabe profitieren können, sprich: Werden einige der hochkarätigen Inszenierungen demnächst in der Region zu sehen sein? Albees "Wer hat Angst...?" etwa ist als Vier-Personen-Drama schließlich ohne allzu großen Aufwand zu "versenden", und "Bella Block" als Ehefurie live zu erleben, sorgt garantiert für ein volles Haus. Hoffmanns "Minna" wird auf jeden Fall in Luxemburg präsentiert werden. Bei den anderen Gastspiel-Verpflichtungen habe er zunächst und in erster Linie ausschließlich an die Festspiele gedacht, erläutert der Intendant im Gespräch mit dem TV . Aber er könne sich durchaus vorstellen, die ein oder andere Produktion nach Luxemburg zu holen. "Gut möglich", orakelt er, "dass der Anteil der deutschsprachigen Aufführungen bei uns bald zunehmen wird." Informationen und Karten: 02361/92180; Internet: kartenstelle@ruhrfestspiele.de

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