Verknotet und verhäkelt

Trier · Fantasievolle Formen lassen sich mit der gewundenen Linie des Häkelgarns schaffen, wie die Arbeiten der Bildhauerin Heike Kern im Palais Walderdorff zeigen.

 Fasziniert von der sich windenden Linie: Heike Kern vor ihrer gehäkelten Plastik. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Fasziniert von der sich windenden Linie: Heike Kern vor ihrer gehäkelten Plastik. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Foto: Eva-Maria Reuther (er) ("TV-Upload Reuther"

Trier. "Mich interessiert vor allem die Dynamik", sagt Heike Kern. Das ist sogleich jedermann klar, der im Erdgeschoss der Galerie Palais Walderdorff die Grafiken der in Mainz-Kastel lebenden Künstlerin betrachtet. Fast übermütig lässt sie darin bisweilen die Linie kreisen und Schlingen ziehen. Was ebenerdig Studie bleibt, nimmt im Obergeschoss im Wortsinn Gestalt an. Heike Kern "at her best" stellt man fest, angesichts der komplexen Organismen aus Metall, Kunststoff oder Naturfaden. Organismen sind Kerns Plastiken allemal, dichte Gefüge mit einem augenscheinlich unendlichen Wachstumspotenzial, entstanden aus der Idee, die Veränderung zum Grundprinzip der Bildschöpfung und des künstlerischen Schaffens zu machen. Was Heike Kern dabei aufgreift, ist die alte gestalterische Form der Figura Serpentinata, im Klartext: der sich windenden, geschraubten Linie. Als Linie dienen ihr dazu Fäden, als Mittel sie zu drehen und zu winden: die gute alte Häkeltechnik. Eine typisch weibliche Art, sich mit dem Pro-blem von Veränderung und Dynamik auseinanderzusetzen und sie zu verbildlichen, bestätigt Heike Kern. Häkelnd schafft sie als Bildhauerin aus Schlaufen und Knoten fantasievolle, poetische Gebilde, duftig wie eine Wolke. Ein andermal umschließt die bewegte Oberfläche einer kugeligen Plastik aus Jutefaden einen festen, gleichwohl in seiner Binnenstruktur lebendigen Kern. Eine eindrucksvolle Arbeit, die durchaus an ein Gehirn erinnert. Apropos Knoten: Als Fixpunkte sind sie für die Architektur der Arbeiten und ihre Stabilität ebenso bedeutsam wie die Schlaufen, die sie wie Nerven am Leben halten und Wachstum ermöglichen. Kerns Plastiken bewegen sich so im Spannungsfeld von Statik und Dynamik. Gesichert durch das verlässliche System der Knoten kann sich der Faden frei und ungehindert im Raum bewegen. Einige der Häkelplastiken hat Heike Kern in Metall gießen lassen. Durch den Guss verlieren die Arbeiten allerdings an Unmittelbarkeit und Leben, sogar, um es mit dem Philosophen Walter Benjamin zu sagen, an "Aura". Die umfangreiche Schau umfasst den Schaffenszeitraum von etwa 20 Jahren. Sie dürfte in der Wahl der Exponate etwas exemplarischer daherkommen. Gerade die Plastiken haben "Sonderstellung" verdient. erBis 30. April, Dienstag bis Samstag 11 bis 13 Uhr, Dienstag, Donnerstag, Freitag, 14 bis 17 Uhr; weitere Informationen gb-kunst.de

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