Virtuose Sensibilität

TRIER. (gkl) Am 1. Mai 1974 wurde die Hauptorgel im Trierer Dom aus der Werkstatt der Bonner Orgelbaufirma Johannes Klais feierlich eingeweiht. Ein kleines Jubiläum also, das in diesem Jahr die traditionellen internationalen Orgeltage begleitet.

Quer durch das Gefüge der Tonarten führen in diesem Jahr die Konzerte. Domorganist Josef Still nahm sich für das erste Konzert die Kirchentonarten vor, bilden sie doch die Grundlage der Kompositionen bis in das 16. Jahrhundert und haben ihre Auswirkung, wie Still zeigte, bis in unsere heutige Zeit. Gewaltig ließ er zu Beginn den Osterruf "Lumen Christi" aus Jean Langlais "Incantation pour un jour Sain" erklingen, gefolgt von Johann Sebastian Bachs Toccata und Fuge d-Moll, BWV 538, die nicht zuletzt wegen ihres prägnanten Fugenthemas auch "die Dorische" genant wird. Breiten Raum nahm der "tonus peregrinus" ein, die alte Tonart des so genanten Pilgerpsalms 114. Mit den Variationen über diese Tonfolge nahm Still auch gleich die Gelegenheit wahr, seinen Vorgänger Hermann Schroeder zu ehren, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Still nutzte das Konzert, um die ganze Bandbreite seines Könnens zu demonstrieren. Für Freunde der Virtuosität hielt er als Finale des Abends Enjott Schneiders Toccata aus dem Film "Schlafes Bruder" bereit. Für Liebhaber der aussagekräftigen, inhaltsschweren Kompositionen erklangen Joseph Rheinbergers Sonate Nr. 4 und Felix Mendelssohn Bartholdys Sonate Nr. 3. Bei allem Respekt vor den technischen Fähigkeiten Stills muss die musikalische Leistung bei diesen beiden Werken doch als Höhepunkt des Abends bezeichnet werden. Mit größter Sensibilität ging Still die beiden Sonaten an und ließ Kompositionen und Orgel in einem warmen, berückenden Licht erstrahlen.

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