Virtuose Technik und unglaubliche Ästhetik

Mit einem Abend der Extraklasse ging die Reihe der sommerlichen Orgelkonzerte in der Konstantin-Basilika zu Ende. Auch wenn man mit Superlativen immer vorsichtig sein sollte, konnte man nur zu dem Schluss kommen: Olivier Latry, Solist des Abends, ist einer der größten Organisten der Gegenwart.

Trier. Wie ein Sonnenaufgang begann der letzte Abend der sommerlichen Orgelkonzerte in der Basilika. Auf dem Programm standen Präludium und Fuge in G-Dur, BWV 541, von Johann Sebastian Bach.

Mit diesem ungemein energiegeladenen, vorwärtsstrebenden Werk eröffnete Olivier Latry, Organist der Kathedrale Notre Dame in Paris, sein Konzert, das man ohne Übertreibung als das Beeindruckenste in der Orgelkonzertsaison der Region ansehen muss.

Latry, Jahrgang 1962, wurde schon im Alter von 19 Jahren zum Kathedral-Organisten in Meaux berufen, und gerade einmal vier Jahre später ernannte man ihn zum Titular-Organisten der französischen Metropolitankirche. Einen großen Namen hat er sich gleichermaßen als exzellenter Virtuose und als feinfühliger Interpret gemacht und stellte dies auch in Trier unter Beweis.

Sein Programm hatte er mit dem Titel "Bach to the future" überschrieben und kombinierte Werke des Thomaskantors mit Kompositionen der Gegenwart. Vertreten waren dabei sein Kollege an Notre Dame, Jean Pierre Leguay, sowie Thierry Escaich und der niederländische Komponist Bert Matter. Latrys Spiel war neben seiner überragenden Technik geprägt von einer unglaublichen Ästhetik, mit der er sich den Werken näherte.

Große Hommage an den Bach



Bachs Choralvorspiel "Jesu, meine Freude", BWV 610, war ein eindeutiges, demütiges Bekenntnis, "O Mensch, bewein dein' Sünde groß", BWV 622, eine drängende Aufforderung. "Durch Adams Fall ist ganz verderbt", BWV 637, hatte fast schon zornige Züge, wo hingegen das "Vater unser im Himmelreich", BWV 636, schlank und schlicht, ohne fremdes Pathos erklang. Beeindruckend waren die drei eingeschobenen Präludien von Leguay, die trotz zeitgenössischer Tonsprache exquisit mit den Werken des Orgelbüchleins korrespondierten.

So ganz wollte man insbesondere bei Matters Fantasie über den Choral "Von Gott will ich nicht lassen" seinen Ohren nicht trauen, fragte sich, ob die Basilikaorgel denn wirklich kein Schwellwerk besitze. Assistiert von seiner Frau Marie-Therese registrierte Latry das Instrument so geschickt, dass die Crescendi und vor allem die Decrescendi zu einem völlig bruchlosen Teil der Musik wurden.

Zu einer großen Hommage an den Thomas-Kantor geriet das Finale des Abends in Form einer Improvisation über "BACH". Es war ein großartiges Erlebnis zu hören, wie die ganze Orgel in allen nur denkbaren Klangfarben immer wieder das berühmte Motiv hervorbrachte, die ganze Basilika förmlich vom Namen Bach erfüllt schien. Manch einer schien verwundert zu sein, dass Latry sein Konzert nicht mit einem vollgriffigen Klangfeuerwerk enden ließ, sondern still und leise mit einem Flötenregister. Es dauerte eine ganze Weile, bis die weit über 300 Konzertbesucher mit ihrem jubelnden Applaus einsetzten.

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