Vivaldi für die Semperoper

WITTLICH. Beim Jahrhunderthochwasser der Elbe im vergangenen Jahr hat auch die Semperoper in Dresden schwere Schäden davongetragen. Ein Benefizkonzert in Wittlich war sowohl für das Opernhaus als auch für die Musikfreunde der Region ein großartiger Gewinn.

 Helfen als Genuss: Countertenor David Cordier mit Mitgliedern der Staatskapelle Dresden.Foto: Gerhard W. Kluth

Helfen als Genuss: Countertenor David Cordier mit Mitgliedern der Staatskapelle Dresden.Foto: Gerhard W. Kluth

So macht Helfen für beide Seiten Freude, für die Helfenden und für die, denen die Hilfe zugute kommen soll. Gemeint ist das Benefizkonzert für die durch das Hochwasser der Elbe stark angeschlagene Semperoper in Dresden, für das ein neunköpfiges Barockensemble der Dresdener Staatskapelle und der Countertenor David Cordier in Wittlich anrückte.Der Musikkreis der Stadt Wittlich, Organisator des Konzertes, ist bekannt für seine Konzerte auf hohem künstlerischen Niveau, ausgeführt von Künstlern mit oftmals international sehr anerkannten Namen. Die sächsischen Gäste sicherten sich jedoch mit ihren Beiträgen sofort die Spitzenposition in den Annalen des Veranstalters.Fast spürt man die klirrende Winterkälte

Als einziger Komponist stand der Venezianer Antonio Vivaldi auf dem Programm. Dessen Gesamtwerk ruft bei Musikfreunden immer noch sehr ambivalente Gefühle hervor. Einerseits gehört der Priester und Tonschöpfer zu den populärsten Komponisten des Barock, andererseits sind seine Werke von manchen Interpreten häufig so glatt geschliffen und ohne Inspiration dargestellt worden, dass man den Eindruck gewinnen kann, alle Werke zu kennen, kennt man nur eines.Genau hier setzten die Dresdener Musiker an. Sie musizierten zunächst einmal auf historischen Instrumenten, die ein ganz anderes Klangbild erzeugen als das, was man gewöhnt ist. Dazu ergründeten sie den Inhalt des Notentextes und setzten ihn mit sprühender Lebendigkeit um.Da erlebte man zum Beispiel einen Winter aus den "Vier Jahreszeiten", der diesen Namen auch verdiente. Man konnte förmlich die bizarren Eiskristalle fassen, die klirrende Kälte spüren, die Vivaldi auszudrücken suchte. Aber auch der tiefe Frieden einer verschneiten Landschaft hielt in der Wittlicher Pfarrkirche St. Markus ihren Einzug.Ein anderes beeindruckendes Erlebnis war das Concerto a-Moll für Viola d‘amore, Streicher und Basso continuo. Wie schon im "Winter" Susanne Branny als Solistin gestaltete hier Ulrike Scobel das Werk in einer Art, die aufhorchen ließ. Behutsam näherte sie sich dem Notentext, offensichtlich bemüht, alles Eigene von ihm fern zu halten. Das Ergebnis war ein neues, barockes Klangerlebnis, dessen Farbenpracht von kräftig leuchtend bis zu einem zarten Pastell reichte.Den Kontrapunktiker Vivaldi stellte das Ensemble zu Beginn mit dem Concerto g-Moll für zwei Soloviolinen und Streicherensemble vor. Neben Branny übernahm Christian Uhlig hier den zweiten Solopart. Mit diesem Werk wurde begreiflich, warum auch ein Johann Sebastian Bach eine so tiefe Verehrung für das Schaffen Vivaldis hatte. Die vielschichtige Anlage des Concertos konnte in ihrer ganzen Komplexität erstrahlen und zeigte die kompositionstechnische Meisterschaft auf.Neue Popularität für alte Werke

David Cordier hatten die Dresdener als Sänger mitgebracht. Er ist ein versierter Countertenor, der nicht zu Unrecht gerade für diese Musik einen sehr guten Ruf genießt. Vivaldis solistische Vokalwerke haben gerade in letzter Zeit an Popularität sehr gewonnen, wofür Cordier einmal mehr ein Beweis war. Der Sänger fügte sich nahtlos in das Ensemble ein, ohne dass dadurch seine Solistenrolle geschmälert wurde. Mit seinem weichen, aber trotzdem brillanten Altus gestaltete er die Motette "Longe mala, umbrae, terrores" sowie die Psalmkantate "Nisi Dominus". Cordier tat es seinen Partnern gleich und verzichtete auf jedes gekünstelte Beiwerk, ließ insbesondere in der Psalmkantate die Widersprüche (Wer mit Tränen säht, wird mit Freuden ernten) unverblümt stehen, was der Geschlossenheit des Ganzen sehr zugute kam.Mit diesem Konzert hat der Wittlicher Musikkreis nicht nur der Semperoper in Dresden hilfreich zu Seite stehen können, sondern den Musikfreunden in unserer Region einen eindrucksvollen und nachhaltigen Konzertgenuss beschert.

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