Vom Fuß der Berge auf den Gipfel

Ein echter Sensations-Coup ist SWR 3 in seiner Konzert-Reihe "Hautnah" gelungen: Der erste deutsche Auftritt der norwegischen Kult-Formation a-ha im Vorfeld der anstehenden Europatournee stieg, garniert mit den "Simple Minds" als Opener, vor Schloss Engers am Rhein und der fast intimen Kulisse von 1600 Zuschauern.

 Sänger Morten Harket beim Auftritt von a-ha beim SWR 3-Hautnah-Konzert auf Schloss Engers. TV-Foto: Dieter Lintz

Sänger Morten Harket beim Auftritt von a-ha beim SWR 3-Hautnah-Konzert auf Schloss Engers. TV-Foto: Dieter Lintz

Neuwied. Die beruhigende Nachricht vorweg: Auch der ewig junge SWR 3 wird älter. Wenn der Sender unter dem Signet "New Pop" zwei Bands aufbietet, deren größte Hits 25 Jahre zurückliegen, und selbst die Moderatorin schon vor einem Vierteljahrhundert bei "Formel Eins" ihren Ansage-Dienst tat, dann kann es mit dem Jugendwahn hierzulande nicht ganz so schlimm sein.

Aber was Stefanie Tücking auf dem Schlossplatz in Engers präsentieren kann, gehört zwar eigentlich eher ins Revier von SWR 1, ist aber vom Feinsten. Mit den "Simple Minds" und "a-ha" treten zwei Formationen an, die aus ganz unterschiedlichen Gründen aus der seichten 80er-Jahre-Synthie-Pop-Ära herausragen.

Die "Simple Minds" um Sänger Jim Kerr spielen immer noch einen grundsympathischen Rockpop, der als Live-Auftritt gut rüberkommt - auch wenn der Sound eher matschig und unpräzise von der Bühne tropft. Es dauert lange, bis die Band zu ihrem typisch plastischen Raum-Klang findet. Und es wird auch vor dem Schloss Engers deutlich, dass die Schotten mit "Don't you (Forget about me)" in ihrer ganzen Karriere eben nur einen Titel für die "Hall of fame" herausgebracht haben - der Rest hieß zwar anders, klang aber im Prinzip genauso. Ihren zweiten Hit "Belfast Child" haben sie nicht auf der Set-Liste.

Zeitlos schöne Melancholie



Der Kontrast zu a-ha ist enorm. Nicht nur, weil die Norweger sich live ausgesprochen rar gemacht haben. Vom ersten Ton an ist ihr Sound so klar und transparent wie das Wasser eines Fjordes - freilich auch ähnlich kühl. Perfektion statt Emotion, jedenfalls auf der Bühne. Ein halbes Dutzend Titel für die Ewigkeit haben sie im Gepäck, vom ersten Hit "Take on me" über das frühe "The sun always shines on TV" bis zum James-Bond-Soundtrack "Living Daylights". Preziosen der Pop-Musik, oft genial komponiert, immer hochwertig arrangiert. Da könnte man aus vielem auch eine Partitur für ein Sinfonie-Orchester machen.

Morten Harkets hohe Stimme ist kurz vor seinem fünfzigsten Geburtstag immer noch eine Offenbarung. Nicht mehr so spielerisch leicht wie vor zwanzig Jahren. Aber seine Fähigkeit, mit den Stimmbändern filigrane Skulpturen zu modellieren, ist vielleicht sogar noch gewachsen. Außer Jon Anderson (Yes) bewegt sich kein Pop- oder Rocksänger auf vergleichbarem Niveau. Allenfalls beim aktuellen Hit "Foot of the mountain" merkt man, dass es ganz schön beschwerlich sein kann, Tonhöhen-Gipfel wie ein Counter-Tenor zu erklimmen.

Und doch hat man zunächst das Gefühl, dass etwas fehlt. Der von zwei Studiomusikern gestützte Reißbrett-Pop kommt zu programmiert daher, die (wenigen) neuen Titel sind noch nicht ins Ohr gekrochen, und wenn mal gerockt wird wie bei "Manhattan Skyline", dann als ironisches Zitat. Das Publikum ist staunender Zeuge einer brillanten Performance, aber nicht Teil eines gemeinsamen Erlebnisses. Harket wird seinem Ruf als schweigsamer Frontman einmal mehr gerecht, was ein gut gelaunter Magne Furuholmen am Keyboard allerdings wieder wettmacht.

Aber ein Ereignis wird das Konzert erst in dem Moment, wo sich die drei Ur-Bandmitglieder mit minimaler Instrumentierung zusammenfinden und zum Niederknien schöne Unplugged-Versionen von "Hunting high and low" und "Summer moved on" in die wolkenlose Abenddämmerung über dem Schloss steigen lassen. Ausgerechnet zwei Lieder über die Angst vor dem Verlassenwerden. So zeitlos schön kann Melancholie sein. Auch wenn der tollste Sommer irgendwann vergeht.

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