Vom Lob der letzten Reihe

TRIER. Jubelei gegen Blödelei: Der Währungs-Austausch funktioniert perfekt bei Otto und seinem Publikum. In der mit rund 2200 Vergnügungssüchtigen ein wenig schütter besetzten Arena Trier dauerte er rund zwei Stunden lang.

Was zeichnet einen guten Komiker aus? Er bleibt bei seiner Masche, wenn er sie einmal aufgenommen hat. Dann kann er nämlich unentwegt weiterstricken und sich des ewigen Gelächters seiner Fans sicher sein. Siehe Heinz Erhardt, das humoreske Fundament der Bundesrepublik. Siehe Loriot, der feinsinnige Fernseh-Spötter. Siehe Otto, der friesische Frotzler. Der hohe Norden scheint guten Humus für Humoristen zu liefern; immerhin haben dort auch die brachial-genialen Marx Brothers ihre mütterlichen Wurzeln. Einiges an Otto, der küstennah, in Emden nämlich, die Welt erblickte, erinnert an deren chaotisch-destruktiven Witz. Otto ist allerdings in Deutschland geblieben und im Gegensatz zu anderen, längst verrenteten Heiterkeits-Avantgardisten wie Insterburg & Co. oder Schobert & Black immer noch die Nummer eins in Lach-Kompetenz und nach wie vor erste Sahne. Mit der er in der Arena übrigens reichlich um sich spritzte und Erinnerungen an das obligate Requisit zahlloser Slapstick-Filme, die Torte nämlich, weckte. Wohl dem, der im kleinen Schwarzen nicht in der ersten Reihe saß und ebenfalls vom reichlich versprühten und gespuckten Wasser verschont blieb.Der letzte Dinosaurier der Blödelbarden

Otto ist der letzte Dinosaurier der Blödelbarden aus einem Landstrich, wo ein Kilo Watt oft ausreicht, um Licht in den Nordsee-Nebel zu bringen. Einer obskuren friesischen Zeitrechnung gehorchend, ist er von seinen 57 Jahren bereits 101 auf Tournee. Und keine Spur von Ermüdung ist auszumachen, wenn er wie ein Irrwisch im Harpo-Marx-Outfit (hier ist sie wieder, die Friesen-Connection) über die Bühne steppt, rapt und eiert, singt, krächzt und geräuschmäßig Kuckuck, Krähe und Knäk-Ente nebst sie zu Boden holendem Maschinengewehr im Kehlkopf hat. Natürlich, Otto-Fans und solche, die es geblieben sind, haben das alles schon mal gesehen und gehört. Aber der Friese tritt wieder mal den Beweis an, dass ein alter Witz, gut erzählt, allemal besser ist als das neue Gekrampfe manches Fernseh-Unterhalters. Außerdem ist Otto live, und lebendig ist bei einem wie ihm bereits die halbe Miete für den ganzen Abend. Obwohl, und da beneidet man dann doch wieder die Sahnebeschmierten in der ersten Reihe, Otto auch ein begnadeter Gesichtskomiker ist, was diejenigen, die auf den trockenen Hinterbänken sitzen, nur ein paar Minuten lang sozusagen per Overhead-Projektion mitkriegen. Da singt, ach was, grimassiert er den von den Comedian Harmonists gepflanzten "kleinen grünen Kaktus" synchron zum Original-Soundtrack und zerknautscht dafür sein Gesicht gegen alle Regeln der Schönheit. Dass es auf die bei einem Mann nicht ankommt, sondern vielmehr auf Beharrlichkeit, um doch noch seine Pointe zu setzen, beweist er mit Hilfe von Cathy. Die Luxemburgerin ("Dann sprechen Sie ja meine Sprache", säuselt Otto die nicht ganz freiwillig auf die Bühne Gekommene an) verweigert ziemlich hartnäckig die Vorstellung, mit Otto verheiratet sein zu können. Als sie sich dann doch noch für eine Minute ins Unvorstellbare fügt, ist dann auch dieser Uralt-Gag ("dann mach mal hier sauber, ist ja der reinste Saustall hier") gerettet. Alles andere als zurückhaltend sind dagegen die Kinder im Grundschulalter, die in erstaunlicher Vielzahl dem Abend beiwohnen und begeistert mitsingen, mitklatschen und überhaupt alles mitmachen, was Otto seinem Publikum abverlangt. Sie braucht er denn auch nicht zweimal aufzuforden, sich vorm Podium zu ver- sammeln, als er beginnt, wahllos Ottifanten in die Menge zu werfen. Das war dann aber auch schon so ziemlich der einzig absolut jugendfreie Beitrag aus dem hundertundeinjährigen Repertoire, in dem auch manche Preziose von unterhalb der Gürtellinie zur Sprache kam. Natürlich beherrscht er auch den Trick, den Schmutzigen Peter ans Publikum weiterzugeben, gibt Verse vor, auf die sie ganz automatisch mit gereimten Ferkeleien reagieren, und mehr als einmal moniert er die versaute Gegend, in die ihn seine Tournee geführt hat. Und die Besucher quietschen vor Vergnügen, haben sie sich doch, offenbar genau wie Otto, den Spaß am Pubertären bis ins höhere Alter gerettet. Vielleicht ist auch eine üppige Portion Nostalgie in Ottos Erfolgsrezept eingerührt: Da steht ein beinahe 60-Jähriger auf der Bühne, über den man sich schon als 20-Jährigen scheckig gelacht hat; damals, als man selber noch so unverschämt jung war und sich über die ersten Bühnenschritte des komischen Friesen in biergeschwängerten Kneipen oder deren verräucherten Hinterzimmern (vierzig Leute im Saal) scheckig gelacht hat. Er ist, beruhigenderweise, ganz der Alte geblieben. Und da liegt doch wohl der Schluss nahe, dass man selbst auch... eben! Fazit: Also auch nach hundertundeinem Jahr gilt: Otto - find' ich gut!

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