Vom Lohengrin zum Jedermann

TRIER. Premiere für einen lang gedienten Tenor: Wagner-Sänger René Kollo ist erstmals in einer reinen Sprechrolle zu sehen - im Trierer "Jedermann", inszeniert von Heinz Lukas-Kindermann und präsentiert vom Trierischen Volksfreund.

 Sieht die reine Sprechrolle des "Jedermann" für sich als eine Herausforderung an: Tenor René Kollo.Foto: Willi Speicher

Sieht die reine Sprechrolle des "Jedermann" für sich als eine Herausforderung an: Tenor René Kollo.Foto: Willi Speicher

Nein, Lampenfieber hat er keines mehr. Dafür haben knapp vierzig Jahre als Helden- und Wagnertenor gesorgt, die ihn an die großen Häuser in aller Welt geführt haben. Was nicht bedeutet, dass er am 23. Mai nicht doch etwas nervöser als sonst hinter der Bühne steht und auf seinen Auftritt wartet. Schließlich betritt René Kollo auf seine alten Tage noch einmal Neuland: Zum ersten Mal in seiner langen Karriere wird er den ganzen Abend lang keinen Ton singen, dafür eine Menge Text parat haben müssen: Als "Jedermann" in Hugo von Hofmannsthals Moralitätenspiel steht er knapp zwei Stunden fast ununterbrochen auf der Bühne. Auf die Idee zu diesem theatralischen Exkurs hat ihn Heinz Lukas-Kindermann gebracht, der vor kurzem in Dortmund seine bereits in Trier inszenierte "Johanna auf dem Scheiterhaufen" von Arthur Honegger gemacht hat, bei der Kollo die Sprechrolle des Bruder Dominique übernommen hatte. "Und weil ich ein bisschen verrückt bin, habe ich Ja gesagt." Mit dem "Jedermann" schließe sich allerdings auch ein Kreis, so Kollo, denn schließlich hat er seine künstlerische Laufbahn einst begonnen mit der Absicht, Schauspieler zu werden. Daraus ist dann bekanntlich nichts geworden, da seine Gesangslehrerin der Meinung war, seine Stimme sei zu Höherem geeignet - etwa zum hohen C. Gibt es für ihn einen Unterschied zwischen einer Sprechrolle und einem Gesangspart? "Im Prinzip nein - außer dass man in der Oper auch noch singen muss. Wobei man da möglicherweise schauspielerisch nicht alles ausdrücken kann, weil es technisch nicht möglich ist - man ist ja vor allem mit dem Singen beschäftigt, und das schränkt das Schauspielern schon etwas ein." Nicht ohne Grund sprachen Kritiker oft vom "statuarisch inszenierten Operntheater", bei dem der Sänger an die Rampe trat und seine Bravour-Arie ins Publikum schmetterte. Es gebe eine ganze Reihe Kollegen, erzählt Kollo, die eine fantastische Stimme hätten, aber kein schauspielerisches Talent. Was er - da spricht der Sänger - letztlich auch gar nicht so schlimm findet. Nicht so schlimm jedenfalls wie inszenatorische Entwicklungen im Musiktheater: "Man ist in der Oper immer mehr vom Gesang weggekommen und hin zu einer so genannten Schauspielerei, die meistens gar keine ist. Denn die Leute, die singen und schauspielern können, sind rar gesät." Dabei will Kollo auf keinen Fall die Schauspielerei als "kleine mimische Schwester des Operngesangs" verstanden wissen: "Den Tristan zu singen ist außerordentlich schwer, und den ,Jedermann‘ zu spielen ist auch kein Kinderspiel." Womit man wieder beim Thema wäre: Das Stück hat er sich natürlich angesehen, und er ist voll des Lobes über die Inszenierung und vor allem über seinen Kollegen Markus Angenvorth. Aber Kollos Deutung der Rolle wird, verspricht er, anders sein. Mehr will er dazu noch nicht verraten. Und noch etwas wird anders sein in der Freilicht-Inszenierung: Für die Guten Werke konnte Lukas-Kindermann Elke Sommer gewinnen, die damit ein knappes Jahr nach den letzten Antikenfestspielen wieder in Trier auftritt. Könnte der "Jedermann" der Beginn einer neuen Karriere für Kollo sein? "Nee - wer denkt mit 65 noch an Karriere?" Er könne sich jedoch vorstellen, kleinere Rollen auf dem Sprechtheater zu übernehmen ("den Don Carlos werde ich bestimmt nicht mehr machen"), denn Singen will er ja auch noch. Wenn er alle Auftritte zusammenzählt, so kommt er auf rund 120 Abende - "das ist ‘ne Menge". Wobei er sich inzwischen den Luxus leisten kann, nur das vor anzunehmen, was ihm Spaß macht. Wird ihm, alles in allem, nicht doch etwas fehlen, wenn er zwei Stunden lang auf der Bühne steht, sozusagen aller Musik beraubt? "Ich habe ja vierzig Jahre lang alles gesungen, was ich singen wollte. Das ist jetzt mal eine Herausforderung, auf die ich sehr gespannt bin und auf die ich mich auch sehr freue." Und nach einer kurzen Gedankenpause fügt er hinzu: "Aber vielleicht fragen Sie mich das noch mal am 23. Mai." Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" auf dem Domfreihof Trier am Freitag, 23., und Samstag, 24. Mai, 17 Uhr; Karten: Tel. (0651) 718-1818.

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