Vom Plüschgewitter in den Ardennensturm

Wolfgang Herrndorf, Förderpreisträger des Eifel-Literatur-Festivals, liest am heutigen Dienstag um 20 Uhr in der St. Vither Bürgermeisterei. Vorher sprach er mit unserem Mitarbeiter Fritz-Peter Linden über Fußball, Fehlurteile und die Verkommenheit von Schriftstellern.

 Am Sonntag erhielt er den Eifel-Literatur-Förderpreis, am heutigen Dienstag liest er in St. Vith: Wolfgang Herrndorf. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Am Sonntag erhielt er den Eifel-Literatur-Förderpreis, am heutigen Dienstag liest er in St. Vith: Wolfgang Herrndorf. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

St. Vith. (fpl) "Ich habe keine weiteren Ambitionen, als Sie hinreißend zu unterhalten", sagt eine Figur in Wolfgang Herrndorfs Erzählband "Diesseits des Van-Allen-Gürtels" (Eichborn Berlin). Da spricht zwar nicht der Autor, aber der löst diese Ambition trotzdem ein. Anders gesagt - und zwar mit einem Zitat von Martin Lüdke, Mitglied der Preisjury: "Ein dolles Buch." Wie auch sein Erstwerk "In Plüschgewittern" (Zweitausendeins/Rowohlt). Doll - das fanden auch die Zuhörer beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt: 2004 verliehen sie Herrndorf den Publikumspreis. Im März erhielt er den erstmals ausgeschriebenen Deutschen Erzählerpreis. Am Sonntag holte sich der 1965 geborene Autor in Bitburg eine weitere Auszeichnung ab: den Förderpreis des Eifel-Literatur-Festivals.Was dachten Sie, als Sie das hörten - ein Preis aus der Eifel, gestiftet und verliehen von Belgien? Herrndorf: Ich habe erstmal im Atlas nachgucken müssen, wo das ist. Ich meine, die Eifel. Bei Belgien wusste ich die ungefähre Richtung.Passt ja auch, in den "Plüschgewittern" kommt ein Ardennensturm vor... In der Jury-Begründung heißt es: "Mit viel Komik, aber mit noch mehr Sympathie, beschreibt Herrndorf eine Generation, die ihr Leben lang auf der Schwelle steht." Trifft es das in etwa?Herrndorf: Es trifft es genau. Bis auf "Sympathie" vielleicht.Einige Kritiker mussten hoch greifen, um den Lesern Ihre Bücher zu erklären, da war die Rede von Beckett, Kafka, Carver und Nabokov... Herrndorf: Da muss man die Kritiker natürlich in Schutz nehmen für diese Fehlurteile. Jeder, der heute Erzählungen schreibt, wird früher oder später mit Carver verglichen. Und mich in einem Atemzug mit Nabokov zu nennen, heißt SV Wehen mit Chelsea verwechseln.Apropos SV Wehen: Was erwarten Sie als Mitglied der deutschen Autoren-Fußballnationalelf von der EM? Herrndorf: Ich bin kein Mitglied der Autoren-Nationalmannschaft mehr, seit ich wegen Verkommenheit und schlechten amazon-Rankings entlassen wurde. Von der EM erwarte ich nichts anderes als einen Durchmarsch der deutschen Mannschaft sowie das Ausscheiden der Schweiz in der Vorrunde.Seit wann spricht denn Verkommenheit gegen einen Schriftsteller?Herrndorf: Sie haben vollkommen recht. Vielleicht war es auch etwas anderes.Es gibt bei Ihren Figuren eine Distanziertheit von den Ereignissen, die Sie beschreiben. Umso nüchterner wirken die Geschichten, umso schlagkräftiger aber auch ihre Komik. Wie bewusst setzen Sie das ein?Herrndorf: Nicht sehr bewusst. Ich finde Pathos, wenn es gut gemacht ist, eigentlich immer sehr erstrebenswert. Ich selbst bin nicht die ganz große Pathosschleuder, aber ich übe auch noch.Publikumspreis in Klagenfurt, Deutscher Erzählerpreis, Förderpreis beim Eifel-Literaturfestival. Wie geht das bloß weiter?Herrndorf: Zwischen Hartz IV und Nobelpreis ist da alles offen.Für die Lesung von Urs Widmer am 13. Juni, 20 Uhr, im Eifel-Gymnasium Neuerburg gibt es noch Karten in den TV-Service-Centern Trier, Bitburg und Wittlich.

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