Von allem etwas

TRIER. Letzte Schauspiel- premiere einer ereignisreichen Spielzeit: Mit "Die Schöne und das klitzekleine Biest" von Jérôme Savary bietet das Theater ein Musical, das sich gut zur Entspannung von den ambitionierten Produktionen der letzten acht Monate eignet.

Manchmal sind Theateraufführungen geeignet, Vorurteile zu revidieren. Zum Beispiel jenes, dass Dirk Bach ein kleiner, dicker, bisweilen nervender Fernseh-Comedian ist, dessen zentrale Fähigkeiten sich in Brachial-Humor und Dschungel-Auftritten erschöpfen. Der Mann ist Schauspieler, und zwar: ein richtig guter. Nicht nur, weil er so spricht, dass man ihn selbst im Trierer Akustik-Bunker bis in die letzte Reihe exzellent versteht. Nicht nur, weil er sich ausgezeichnet bewegt, jede Bühnensituation souverän meistert und sogar noch ganz passabel singt. Sondern vor allem, weil er mit minimaler, von der Fernseh-Hyperaktivität völlig abgesetzter, geradezu filigraner Körpersprache und Mimik eine tragikomische Figur zeichnet. Der listige Zwerg, der sich als buchstäblicher Kleindarsteller durchschlägt und, als Igel verkleidet, die angebetete Schöne erobern will: Das ist der Dreh- und Angelpunkt einer anson-sten in eher seichten Gewässern dahin dümpelnden Komödie. Dabei spielt sich der Gast aus Köln nie in den Vordergrund, lässt auch die Kollegen glänzen: Peter Singer als conferencierenden Verkleidungskünstler mit galligen Kommentaren, Sabine Brandauer und Michael Ophelders als hemmungslos chargierende Operetten-Figuren auf einem Trip durch die Klischees der Trivialkultur. Opulent ausgestattet von Christoph Wagenknecht, der ein ironisch-intelligentes Bühnenbild gebaut hat, das ohne großen Aufwand und vor allem ohne Kippen der Stimmung zügige Wechsel zwischen den Schauplätzen ermöglicht. Chor (Leitung: Norbert Schmitz) und Ballett (Choreographie: Anette Artus) begleiten die Reise durch die Holzschnitt-Welt als gut aufgelegte, originell verpackte, fröhlich mitspielende Staffage, die manchmal sogar - aber leider zu selten - die herrschende Bravheit ein bisschen konterkarieren darf.Erkennen Sie die Melodie?

Sehr vergnüglich die Musik, die Gérard Daguerre quer durch die Geschichte des Genres zusammengeklaut und zu einer flotten Melange verschmolzen hat. La Traviata und Tosca, Mancinis "Pink Panther" und "Mambo Nr. 5", antike Grand-Prix-Sieger wie "Ding-a-dong", das Phantom der Oper und höfische Barock-Klänge: Wer Lust hat, kann ein Blöckchen bereit legen und um die Wette raten, wer die meisten Anklänge erkennt. Florian Dobler und seine 16 Musiker bringen das schwungvoll, präzise und mit hörbarem Spaß aus dem Orchestergraben. Fehlt noch was? Ach so, das Stück. Na ja. Eine Genre-Parodie war angekündigt, mit bissigen Seitenhieben auf die Oberflächlichkeit der Unterhaltungs-Industrie. Aber Savarys "Die Schöne und das klitzekleine Biest" ist eher eine Sammlung meist unterhaltsamer Szenen, ein bisschen Kraut und Rüben, nie entschieden, ob man nun Satire sein will oder Klamotte. Da fehlt die Präzision der Beobachtung, die inhaltliche Treffsicherheit der Gags - trotz der Übersetzung von "Titanic"-Gigant Hans Kantereit. Die Trierer Inszenierung von Gerhard Weber tut wenig dazu, die Sache zuzuspitzen und die Seitenhiebe ins Ziel zu bringen. Um in der Boxersprache zu bleiben: Zu wenig Jabs, dafür reichlich Heumacher. Kaum Überraschungen, dafür allerlei Griffe in die Kiste "100 Tipps für die Erzeugung verlässlicher Theater-Lacher." Grundsätzlich gilt die Devise: "Viel bringt viel". So beschränkt man sich nicht auf Disney-World, was durchaus Stoff genug geliefert hätte, sondern fährt von Tabaluga über Dr. Schiwago bis Bollywood alles auf, kreuzt Frank'n'furter aus der Rocky Horror Show frisürlich mit Guildo Horn, lässt Freddy Frinton durch die Gegend stolpern und Elvis mit Leningrad-Cowboys-Haarschopf im Straßenkreuzer vorfahren. Zitate, Zitate, Zitate, von allem etwas, durchaus lu-stig, aber irgendwie doch ohne Hand und Fuß. Wie die Sache ohne Dirk Bachs sympathisches klitzekleines Biest ausgegangen wäre, darüber sollte man besser nicht spekulieren. So, wie es war, hatte das Publikum, Promis wie Guildo Horn und Georg Uecker inklusive, seinen Spaß. Dass es am Ende in hysterische Begeisterung ausgebrochen wäre, kann man nicht behaupten, aber es gab freundlichen, ausgiebigen Beifall. Und eine Zugabe, bei der ein (für Stadttheater-Verhältnisse) entfesselter Dirk Bach erahnen ließ, was ein Künstler unter dem Igel-Kostüm trägt. Die nächsten Aufführungen: 5., 7., 14., 18., 20., 21., 22., 24., 26. und 27. 5., Karten: 0651/718-1818.

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