Von der Piano-Frau zur Rock-Lady

TRIER. Für "Ally McBeal"- Fans ein Muss, für Freunde minimalistischer Songwriter-Musik ein kleiner Höhepunkt: Der Trierische Volksfreund präsentierte Vonda Shepard in der Trierer Europahalle vor rund 600 Fans.

Einen Abend lang war "Chinatown" in Trier-Stadtmitte: Vonda Shepard präsentierte in der Europahalle ihr gleichnamiges Album. Für Fernseh-Serienstars ist es ein zweischneidiges Schwert, sich in anderen Genres zu bewegen. Die Gefahr, die künstlerische Identität zu verlieren, ist groß und oftmals driftet die Leistung ins Mittelmaß ab.Karriereschub durch Fernseh-Serie

Nicht so bei der 40-jährigen Vonda Shepard. Singen und Piano-Spielen standen schon seit früher Jugend auf Platz Eins ihrer Berufswünsche. Da kam das Engagement in der Kult-Fernsehserie "Ally McBeal" gerade Recht, um der musikalischen Karriere den entsprechenden Schub - sprich Popularität - zu verleihen.In der Serie hat sie schließlich auch nicht irgendeine Rolle gespielt, sondern sich selbst - jene "Piano-Frau", die abends in der Eck-Kneipe das Leben musikalisch interpretiert. Und das tut sie auch in der Europahalle, unterstützt durch eine stimmungsvolle Dekoration der Bühne mit Lampions, einer großen Leinwand mit chinesischen Schriftzeichen im Hintergrund und putzigen Papier-Schirmchen rechts und links der Bühne. In minimalistischer Besetzung mit Jim Henson am Bass und James Austen an der Gitarre entwickelt Shepard eine abendfüllende Show. Den Weg dahin ebnet ihr eine brillante Vorgruppe. Trompeter Rick Braun aus Los Angeles spielt mit seiner Band die kalifornische Variante von dem, was man im trendigen Deutschland "Hipjazz" nennt. Braun nennt es "Wave", und im Klartext ist es eine tanzbare, melodische Mischung aus Popmusik, Jazz und Funk, die in die Beine geht und das Publikum rasch in Fahrt bringt. Satter Sound voller Groove und eine spielfreudige Band zaubern gute Laune ins November-trübe Trier. Das Publikum dankt es Rick Braun mit lang anhaltendem Applaus. Nach kurzer CD-Verkaufs-Pause gibt Vonda Shepard bereits beim Opener "Rainy Days" vollen Schub. Mit der Uptempo-Nummer knüpft sie an die Geschwindigkeit der Vorgruppe an. Shepards Stimme bleibt noch kühl, und es braucht einige Songs, bis der Funke zum Publikum überspringt. Mit "Downtown" spielt sie das große Spektrum ihrer Stimme zum ersten Mal richtig aus, mal soulig, mal rockig. Der Schalldruck nimmt in der ersten Hälfte des Konzerts stark zu und erreicht Hardrock-Lautstärke, was vermuten lässt, dass Shepard einen Image-Wechsel von der Bar-Pianistin zur Rock-Röhre anstrebt.Mit "Chinatown" entwickelt sich die Dramaturgie ihrer Show. Langsame Balladen und Rock-Songs wechseln einander ab, wobei gegen Ende des Konzerts die Rock-Fraktion stärker vertreten ist und die Spannung steigt. Bei "Sweet Inspiration" zeigt die Kalifornierin zudem Gospel-Qualitäten. Versöhnlicher stimmt dann wieder "In July": Eine wunderschöne Ballade, die Shepard mit warmer und gefühlvoller Stimme singt. Rockig wird's bei der Ally McBeal Hymne "Searching my soul". Auf diesen Song haben die Zuhörer lange gewartet und danken es Shepard mit viel Applaus. Der Abend erreicht seinen Höhepunkt. James Austen, der lange Jahre mit Tina Turner unterwegs war, spielt ein furioses Gitarrensolo und Bassist Jim Henson zeigt, dass er auch Jazz-Erfahrung hat.Mit überzeugenden Cover-Versionen von "Have You ever seen the rain" der Creedence Clearwater Revival und "I only wanna be with You" der Bay City Rollers zollt Shepard ihren musikalischen Wurzeln Tribut. Die Zugaben kommen an: Standing Ovations und langer Applaus für die Kalifornierin.

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